Im Test: Regional und saisonal im Februar einkaufen und kochen

Die Theke eines Bioladens, auf der Theke steht eine bereits zusammengestellte Kiste voller Bio-Lebensmittel

Inspiration in der Kiste: Saisonal kochen im Februar

Im Grunde ist es doch ganz einfach: Wir Verbraucher*innen haben nicht die weitreichende Macht, die wir uns wünschen, um einen direkt sichtbaren Einfluss auf Klimawandel und Artenschutz, auf faire Arbeitsbedingungen und eine nachhaltige Agrarwirtschaft zu haben. Oder doch? Ist es wirklich wichtig, ob ich konsequent Zero-Waste einkaufe oder juckt das die Industrie gar nicht? Ist mein Einkaufskorb wirklich Ausdruck einer Revolution? Bin ich Revoluzzerin, wenn ich knallhart die konventionellen, in Plastik eingeschweißten Gurken links liegen lasse und heroisch zur schrumpeligen, regional angebauten Steckrübe greife? Zittert der IVA (Industrieverband Agrar) vor meiner Entschlossenheit? Man mag es bezweifeln.

Und dennoch, mir ist es wichtig. Ich schlampe oft genug in meinem Leben herum, wenn es um wirkliche Nachhaltigkeit geht. Natürlich: Insbesondere Lebensmittel versuche ich nach bestem Gewissen zu kaufen. Und gerade jetzt im Februar, im tiefsten Moloch des Winters, dem „Es-wächst-nix-auf-den-Feldern“-Monat schlechthin, selbst die Lagerware knapp wird und Birnen aus Frankreich importiert werden – jetzt stelle ich mir die Herausforderung, eine Woche lang im Test mal konsequent regional und saisonal einzukaufen und zu kochen. Natürlich im Bio-Laden, der in meinem Fall die „Laune der Natur“ in Hamburg-Uhlenhorst ist.

Bio-Gemüse und Obst in den Kisten eines Bioladens

Bioladen with a view – Laune der Natur in Hamburg-Uhlenhorst

Gerne würde ich jetzt mal meine Uroma fragen: Sag mal, gab es bei euch im Winter Tomaten, Gurken, Zucchini oder frische Paprika? Das kann ich natürlich leider nicht mehr, ich ahne aber auch so ihre Antwort: Natürlich nicht, woher denn auch! Dieser Luxus der Baby-Boomer und der folgenden Generationen, ständig alle Gemüsesorten, Beeren und tropischen Früchte in greifbarer Nähe zu haben, hat sich schleichend über die Jahre etabliert und sich festgebrannt im Mindset.

Dabei sagt uns der Körper zu Beginn des Winters eigentlich recht genau, was er möchte, nämlich warme, nährende Speisen. Statt des kalten Obstsalats am Morgen wächst die Lust auf ein cremiges Porridge mit wärmenden Gewürzen. Dem möchte ich natürlich nachgehen und schauen, was es nun, zum Ende der Lagerware und vor dem Beginn der neuen Wachstumsperiode, dem Frühjahr, noch schmackhaftes zu kaufen gibt.

Challenge accepted: Regional und saisonal im Februar einkaufen

Bevor es aber losgeht, noch ein kleiner Exkurs, warum mir das überhaupt wichtig ist. Natürlich, es ist die Nachhaltigkeit, die mich umtreibt. Lebensmittel haben durch den Anbau, die dazu genutzte Fläche, den aufgewandten Wasserverbrauch, die Ernte, Lagerung, Logistik und schlussendlich den Verkauf logischerweise einen CO₂-Abdruck, so wie jedes Konsumgut. Das ifeu (Institut für Energie- und Umweltforschung) hat 2020 die viel beachtete Studie „Ökologische Fußabdrücke von Lebensmitteln und Gerichten in Deutschland“ veröffentlicht, in dem der Fußabdruck für die verschiedensten Lebensmittel errechnet wurde. Spoiler: nicht überraschend waren alle regionalen und saisonalen Lebensmittel am klimafreundlichsten, anders hingegen eingeflogene Früchte wie die Ananas mit 15 Kilogramm CO₂-Äquivalente pro Kilogramm Lebensmittel. Aber auch die „Winter-Tomate“ (Folientunnel/Gewächshaus im Winter) landet mit einem Wert von 2,9 im oberen Bereich der Tabelle. Mich hat auch der schlechte Wert von Tomatenmark überrascht: 4,3! Zum besseren Vergleich: Konventionelles Schweinefleisch hat dann auch „nur“ 4,6. Da bin ich mit der aus Peru eingeflogenen Bio-Avocado (0,8) ja sogar noch gut dabei. Ihrgs!

Es nützt ja nichts, man sollte sich seinem Verbrauch und seinen Sünden einfach immer wieder mal stellen. Also, liebe Sarah Ehrich, Inhaberin von Laune der Natur: Wollen wir es anpacken? Sarah steht mir und allen ihren Kund*innen gerne mit Rat und Tat zur Seite, schließlich ist sie schon vor ihrem „Bioladen-Leben“ eine ausgesprochene Foodie-Expertin gewesen und auch jetzt als Bioladenbesitzerin sind ihr die Themen Regionalität und Saisonalität Herzensthemen. Das zeigen auch die Rezeptinspiration, die sie regelmäßig auf dem Laune der Natur-Instagram-Kanal gibt.

Nähern wir uns erstmal der Begrifflichkeit Regional: Pi mal Daumen könnten wir in Hamburg sagen: Norddeutschland. Für Sarah heißt das: Niedersachsen, Schleswig-Holstein und der Westen von Mecklenburg-Vorpommern. Hier gibt es viele tolle Bio-Bauern/-Bäuerinnen, die Läden wie Laune der Natur beliefern. Gesetzlich geschützt ist der Begriff Regional übrigens nicht. Wer es genau wissen mag und sich zum Ziel setzt, beispielsweise max. 50 Kilometer von den eigenen vier Wänden regional einkaufen zu wollen, sollte also genau nachhorchen und nachfragen. Schließlich soll es schon Schlingel gegeben haben, die ihre Ware aus Polen mit Regionalität anpriesen. Auch das sogenannte Regionalfenster, eine freiwillige Kennzeichnung auf Supermarktprodukten, gibt nähere Auskunft über die Herkunft. Und dann gibt es noch das EU-Kennzeichen "geschützte Ursprungsbezeichnung". Bei uns ist das wohl vor allem das Alte Land.

Bei der Recherche zu diesem Thema hat mich überrascht, dass meine Hirse von Alnatura aus China stammt. Wieso denn das, frage ich mich und finde dank Ecosia eine Antwort. Hirse wurde sehr lange Zeit in Deutschland angebaut, bevor sie aus Modegründen ihre kulinarische Bedeutung verlor und somit auch das Interesse derer, die sie angebaut hatten. Somit verlagerte sich der Anbau wieder nach Asien, von wo aus sie heute importiert wird. Glücklicherweise gibt es aber auch Hirse aus Deutschland, wie von der Bohlsener Mühle. Auch Süßkartoffeln werden erfolgreich in der Lüneburger Heide angebaut und mein Gemüsehändler hatte im letzten Jahr sogar regionale Melone im Angebot. Kein Witz: Melone aus den Viermarschlanden! Köstlich waren die!

Frischer Grünkohl, der in einer Kiste liegt

Kale me maybe – Grünkohl-Season!

Beets don’t kale my vibe – im Februar gibt’s Kohl

Nachdem die Herkunft also nun mehr oder weniger erklärt ist, geht es an die Inventur der Regale: Was gibt es im Februar noch an frischem Gemüse und Obst? Die schlechte Nachricht für Obst-Liebhaber*innen: Äpfel. Freunde des Gemüses haben da mehr Grund zur Freude:

Chicorée
Chinakohl
Feldsalat (deutsch, aus dem Gewächshaus/Folientunnel)
Grünkohl
Kartoffel
Knollensellerie
Kohlrabi
Kresse
Kürbis 
Möhren, alle Sorten
Pastinake
Petersilienwurzel
Pilze, aber die werden ganzjährig in Hallen angebaut
Porree
Postelein
Rettich
Rosenkohl
Rote und Bunte Bete
Rotkohl
Sauerkraut, frisch / Kimchi im Kühlschrank
Schwarzwurzel
Steckrübe
Süßkartoffeln
Topinambur
Weißkohl
Wildsalat
Zwiebeln, alle Sorten

Wenn ich das so lese, denke ich; Ja, geil! Das sind doch massig Optionen für leckere Gerichte! Damit kann ich doch gut leben. Von der doch recht großen Auswahl packe ich mir vor allem meine Lieblinge ein:

Potatoe-Liebe! Ich habe eine wirklich enge Beziehung zur knubbeligen Knolle, die ursprünglich von den Inkas kultiviert wurde und nur zufällig ihren Weg in unsere Breitengrade fand. Vielen Dank, ihr Seefahrer! Kartoffeln sind wirklich unterschätzt: Sie sind günstig, gesund, saisonal und regional, darüber hinaus vielseitig einsetzbar – schlichtweg genial. Zudem stecken in ihnen wichtige Vitamine (C und B), Mineralstoffe (Phosphor, Eisen und Magnesium) und Antioxidantien. Und vergessen wir nicht die Süßkartoffel: Currys, Brownies, Pommes – die hellrote Knolle ist sogar noch besser bekömmlich als ihre gelbe Schwester. Die komplexe Struktur der Stärke treibt den Insulinspiegel nicht so in die Höhe. Gut für Menschen, die an Entzündungen leiden (also mich).

Auch ein wichtiger Punkt: Wir essen viel zu wenig Bitterstoffe. Gemüse, das einst eher bitter war, wurde süßlich gezüchtet, damit es uns Menschen „besser“ schmeckt. Denn schon die leichte Herbe von dem von mir sehr geliebten Chicorée ist vielen Menschen (Hallo, Ehemann!) bereits zu viel. Dabei brauchen wir Bitterstoffe für eine optimale Verdauung. Gerade die Leber ist darauf angewiesen! Ich trinke jeden Tag Bittertee (Liebslingstee: BitterLiebe) und versuche obendrauf regelmäßig bitter zu essen.

Kohl hatte lange das Image des 80er-Jahre Gemüses – so als Not-Beilage zu fettigem Fleisch. In den 2000ern wurde Kohl ein Image-Wechsel verpasst (Frage in die Runde: Gibt es wohl eine Kohl-Lobby, die das finanziert hat?). Die „Magic-Soup“ versprach Entschlackung und schlank sein, roch wirklich fies, schmeckte aber immer ganz gut und wurde vor allem von Kolleginnen immer wieder vorgekocht mit ins Büro gebracht (an der Stelle ein Shoutout an Ute Kromrey). Und kurz darauf – a rising star: Kale was born! Grünkohl, hierzulande immer nur verkocht in Verbindung mit widerlicher Bregenwurst oder Kassler bekannt, war über Nacht zum Superfood des Jahrtausends aufgestiegen und fand sich in Green-Goddess-Smoothies oder als Kale-Chips auf jeder Trendseite wieder. Kohl ist so vitaminreich wie vielseitig: Mineralstoffen wie Kalzium, Kalium, Eisen und Magnesium kommen ebenso vor wie entzündungshemmende Omega-3-Fettsäuren. Neben den Vitaminen A, B, E und K enthält das Gemüse zudem jede Menge Vitamin C.

Die Steckrübe hatte ich tatsächlich noch nie auf dem Tisch und das, obwohl ich die Geschichte rund um die nahrhafte Knolle sehr wohl kenne. Besonders in der Nachkriegszeit war die Knolle überall zu finden – einfach weil sie gut zu kultivieren war und es sonst nicht viel gab. Weshalb die gute Steckrübe dann auch jahrelang verschwand, aber und nun wieder da ist. Prall gefüllt mit Vitamin C und A, Calcium und Kalium, Beta-Karotin und Eisen, kommt die unscheinbare Rübe als nordisches Superfood daher.

What I eat in a week – was jetzt saisonal gekocht wird

Weil ich ja sowieso vegan koche, bleiben die Rezepte schön simpel. Inspiration hole ich mir von wunderbaren Foodblogger*innen, die alle viele saisonale Rezepte in petto haben.

Besagte Steckrübe wird direkt in diesem nordischen Eintopf von Springlane verarbeitet. Auch Veganmom-Tausendsassa Anna hat Steckrübe parat, in diesem deftigen Auflauf mit Kartoffel und veganem Käse.

Von Anna schnappe ich mir auch das Rezept für veganen Rahmkohlrabi mit Petersilienkartoffeln und Brokkolibratlingen. Ja gibt’s denn sowas, das ist ja wohl ein Winter-Comfort-Menue allererster (veganer) Sahne.

Bei Lynn Hoefer gibt es ein leckeres Rezept für eine nährende, wärmende Suppe mit Topinambur. Die Superknolle wirkt durch ihren hohen Anteil an Inulin ebenfalls entzündungshemmend, was sie für mich sehr wertvoll macht.

Polenta (kommt aus Österreich, ok, habe ich aber sowieso im Schrank stehen) ergibt zusammen mit Rosenkohl und (Roter) Bete ein herrlich cremiges Winterfood-Rezept, kreiert von Zucker&Jagdwurst.

Die hübschen Beten kann man ebenfalls prima als Süppchen zubereiten, oder als Chips, und sogar eine Rote Bete Latte daraus zaubern. Auch Rosenkohl lässt sich leicht und schnell genießen: Putzen, halbieren, mit Honig oder Ahornsirup beträufeln, ein paar Mandelblätter dazu und ab in den Ofen. Ich bin ziemlich begeistert, was das Wintergemüse doch alles kann und wie vielseitig es sich zeigt. Ratzfatz was Leckeres zum Abendessen auf den Tisch!

Damit ich morgens etwas Süßes zum Frühstücken habe, bereite ich mir ein winterliches Apple Crumble zu. Das geht natürlich leider nicht ohne „nicht-heimische“ Zutaten, die habe ich aber sowieso im Haus (zum Beispiel Kokosöl, Nüsse oder Gewürze). Deshalb finde ich es okay, das zuzubereiten. Alternativ dazu gehen auch Bratäpfel mit Walnüssen aus dem Ofen oder ein leckeres Apfelkompott.

Eine Frau sieht sich das Gemüse in einem Bio-Laden an

Her mit den Rübchen!

Mein Fazit:
Ich habe wirklich nicht das Gefühl, auf irgendwas verzichten zu müssen, wenn ich mich winterlich-regional ernähre. Allein, auf Kaffee und Schokolade verzichte ich allerdings nicht. Bin halt doch nur ‘ne LOHAS-Weichpappe.

Hier aber nochmal kurz zusammengefasst die Vorzüge einer saisonalen, regionalen Ernährung:

Gesünder: Ohne weite Transporte hinter sich legen zu müssen, bleibt Gemüse knackig frisch und voller Vitamine. Je länger der Weg, also je mehr Zeit zwischen Ernte und Esstisch liegt, je weniger Nährstoffe sind enthalten. Unsere Körper sind den Jahreszeiten angepasst und brauchen entsprechend auch das, was jeweils in der Jahreszeit verfügbar ist. Zu dem Schluss kommt auch Ayurveda, die Wissenschaft des Lebens. Eine der wichtigsten Regeln dort besagt: Iss, was die Natur, in deren Umgebung du lebst, in der jeweiligen Jahreszeit hergibt.

Billiger: Regionale und saisonale Ware sind günstiger, das erklärt sich wohl von selbst.

Schmackhafter: Die Natur hat ein schlaues System. Halten wir uns daran, schmecken die Sachen köstlich. Erdbeeren Mitte Mai sind geschmacklich was ganz anderes als weiß-fleischige Wasser-Beeren aus dem Folientunnel in Spanien im Januar.

Umwelt: Eines der wichtigsten Argumente kommt als letztes: die Umweltbilanz. Deshalb kann man es auch durchaus eine Positive-Klima-Diät nennen, wenn man nach dem Saisonkalender isst.





Dieser Text enthält viel freiwillige Herzenswerbung. Für meinen Regio-Einkauf durfte ich aber auch den Mitglied-Rabatt der Laune der Natur probieren, das sind satte 30 % auf den Einkauf gewesen. Das lohnt!

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