Kein Instagram, kein Facebook – warum ich nicht auf Social Media unterwegs bin

Eine Neon-Reklame, auf der ein Like von facebook zu sehen ist

Credit: Prateek Katyal I Unsplash

Ach, Social Media. Du ständige Verlockung. Bindest uns an dich und hast dich still und heimlich zu unserem meist genutzten Kommunikationskanal entwickelt. Du sammelst unauffällig unsere Daten, und dein Geschäfts-Modell ist so klug, wie perfide: Wir ziehen uns für dich aus, ganz freiwillig! Und bieten dir so 24/7 kostenfreien Content, den du vermarkten kannst und der wiederum dazu führt, dass noch mehr Menschen ihre Zeit mit dir verbringen. Dabei beteiligst du uns nicht an deinen Erlösen. Du erfindest nicht aus purem Altruismus immer neue Funktionen wie Filter, GIFs oder Reels. Du willst unsere Nutzungszeit erhöhen, um noch mehr Social Ads zu verkaufen.

Im Grunde mache ich mir doch mein Selbstbild kaputt, um Marken wie Nike oder Douglas einen neuen Werbekanal zu ermöglichen.

Der neue Rausch: Social Media und Dopamin

Es ist kein Geheimnis, dass Social-Media-Likes in unserem Gehirn für angenehme Stimmung sorgen. Das Like: unser Garant für den kurzen Dopamin-Kick. Forscher haben die Parallelen zu einer Sucht bei einer übermäßigen Nutzung von Social Media bereits bewiesen. Wir alle sind mehr oder weniger narzisstisch. Und lieben es, uns darzustellen, vor allem, wenn wir durch Aufmerksamkeit belohnt werden. Das führt uns in eine Spirale. Unser Content wird oftmals nicht frei aus dem Bauch heraus produziert, er wird kuratiert. Denn weiß ich, was meine Follower besonders mögen, schaffe ich die Inhalte für eben diese Follower. Und werde gelikt.

Auf einer Party gab ich einer Frau ein Kompliment für ihr Kleid. Ein paar Stunden später trafen wir nochmal aufeinander und sie sagte „Ach, du bist doch die, die vorhin mein Kleid geliked hat!“.

Weniger Zeit auf Social Media bedeutet also auch mehr Zeit im Real Life. Weil ich keine aufwändige Instagram-Story mache, erlebe ich den Moment. Gerade für ein Monkeymind wie mich, ist das ungemein heilsam. Das belegt auch eine weitere Studie, die sich mit einer verringerten Nutzung von Plattformen beschäftigt hat, mit dem Resultat, dass die Teilnehmer dann glücklicher und zufriedener waren.

Facebooks Ex-Vice-President, Chamath Palihapitiya, hat unlängst auf einer viel beachteten Podiumsdiskussion an der Stanford Graduate School of Business gegen Facebook, Instagram und Twitter (heute X) gesprochen. Und gegen Kapitalismus im Allgemeinen. Er sagte, die Gesellschaft, die wir kannten, würde zerstört werden. Durch eben diese Abhängigkeit von Dopamin-Likes und aufgrund der Tatsache, dass dein digitales Ich nicht das reale Ich darstellte. Soziale Netzwerke untergrüben somit die Kernfundamente des menschlichen Verhaltens. Und er ging sogar noch weiter: Er verbiete seinen Kindern die Nutzung von diesem „Scheiß“.

Ich bin nicht auf Social Media – aus gutem Grund!

Meine eigenen Erfahrungen bestätigen das. Bilder von attraktiven Menschen in schönen Orten vermitteln mir das Gefühl, nicht schön genug zu sein. Nicht sportlich und fit genug zu sein. Und somit nicht begehrenswert und interessant zu sein. Nicht genug zu sein. Deshalb habe ich immer wieder wochenlange Instagram-Pausen eingelegt. Bevor ich dann im Juli 2019 meine Konten ganz gelöscht habe.

Social Media als Teil der Klimakrise

Aber es gab noch einen zweiten, mindestens ebenso wichtigen Punkt, mit Social Media vorerst Schluss zu machen. Laut „The Shift Project“ verursacht die digitale Nutzung von Plattformen wie Facebook und Instagram sowie das Online-Streaming, zum Beispiel bei YouTube, mehr CO₂ als der weltweite Flugverkehr. Jedes Bild, das auf Instagram hochgeladen wird, verursacht also auch einen Klima-Impact auf unsere Welt. Überspitzt formuliert: Gehe ich in den Fair Fashion-Laden, kaufe mir eine klimaneutral produzierte Jeans und poste anschließend dazu etwas auf meinem Account, hätte ich auch gleich konventionell hergestellte Jeans kaufen können. Mal abgesehen von den technischen Produkten wie Telefon, Glasfasernetzkabel, Routern und den Serverfarmen, die weltweit rund um die Uhr in Betrieb sind, um unser Online-Leben zu gewährleisten.

Deshalb führe ich diesen Blog ohne einen Social Media Account. Das ist unüblich, und es macht es schwieriger. Schließlich sind Plattformen wie Facebook und Instagram sehr hilfreich dabei, Aufmerksamkeit für Blog-Artikel zu erzeugen. Und jede Kooperationsanfrage wird begleitet nach Fragen rund um meine „Reichweite auf Instagram“. Deshalb springen potenzielle Kooperations-Partner auch mal ab. Aber es passt einfach nicht zu meinen selbstgesteckten Zielen, mich immer weiter zu disziplinieren, meinen CO₂-Abdruck auf der Welt so klein wie möglich zu halten. Aber wie sehen das andere?

Die Autorin Alexandra Zykunov steht vor einer grünen Wand und lächelt in die Kamera

Alexandra Zykunov I Credit: Julia Schwendner

Ich durfte mich mit der Autorin Alexandra Zykunov, ehemals Redaktionsleiterin Brigitte BE GREEN, über deren Social-Media-Aktivitäten unterhalten. Die Brigitte BE GREEN zeigt klare Kante im Heft. Und Alexandra hier bei mir:

junieundich: Inwieweit profitiert ihr von Social Media und wie setzt ihr Social Media bei euch ein?

Alexandra Zykunov: Das Konzept unseres Heftes ist aus verschiedenen Gründen darauf ausgelegt, dass wir Greenfluencer*innen im Heft haben, weil sie eine für uns relevante Zielgruppe erreichen. Und weil sie so authentisch, mit einer großen Reichweite hinter Nachhaltigkeit stehen. Daher profitieren wir natürlich einerseits sehr stark davon, wenn eben diese Greenfluencer*innen das Heft auch auf ihren Kanälen erwähnen/pushen, aber nicht nur, weil sie selbst im Magazin sind, sondern weil sie das Produkt auch ganz für sich toll finden, was uns dann natürlich gigantisch freut. Gleichzeitig ist es uns, die „den Schuss gehört haben“, ultra-wichtig unsere Machtposition als Medium zu nutzen, um Zigtausende Menschen zu erreichen, um auf das Thema Klimakrise aufmerksam zu machen. Denn das Thema muss Mainstream werden. Und auch dafür nutzen wir natürlich neben dem üblichen Vertriebsweg für Print auch unseren digitalen Kanal auf Insta.

Erreicht ihr neue Leser*innen damit?

Total! Nach dem Launch bekamen wir innerhalb einer Woche an die 500 bis 600 Zusendungen von Leser*innen, was ja nur ein Bruchteil der eigentlichen Käufer*innen sind, die uns geschrieben haben, dass sie sich seit Jahren keine Magazine mehr kauften, und es mit BE GREEN erstmalig getan haben. Und mehr als 50 Prozent davon waren zwischen Mitte 20 und Mitte 30 und damit genau die schwindende und stark umkämpfte Zielgruppe, die eigentlich keine Magazine mehr kauft.

Und wie steht es um euren eigenen, privaten Konsum – welchen Accounts sollte man ruhigen Gewissens folgen?

Ruhigen Gewissens ist wahrscheinlich schwierig. Wir leben in einer Zeit, die kein ruhiges Gewissen mehr erlaubt – leider. In keinem Lebensbereich mehr, der den Konsum betrifft, ob digital oder analog. Hier müssen und sollten wir jede einzelne Entscheidung bei jedem Kauf hinterfragen: brauche ich das wirklich, habe ich das nicht schon längst? Kriege ich das nicht easy gebraucht oder ausgeliehen? Social Media kann hier sehr verlocken, und tut es auch. Nicht umsonst gibt es Hashtags wie #instamademebuyit. Nichtsdestotrotz kann Social Media auch ein wahnsinniger Treiber sein und eine Inspirationsquelle für Menschen, umzudenken, und ihre Lebensbereiche Schritt für Schritt und immer mehr umzustellen. Da gibt es sehr viele Accounts, die diesen Input und diese Inspirationen oder auch „Arschtritte“ liefern. Zum Beispiel: Für Studien, Zahlen und Fakten: @nachhaltigerlebeninberlin oder @luisaneubauer. Für Tipps für den Alltag und/oder Nachhaltigkeit in der Familie: @langsam.achtsam.echt oder @milenskaya. Für Fair Fashion Inspo und Fakten zu nachhaltigem Textil: @fashionchangers.

Ein Smartphone liegt auf einer Fläche, auf dem Screen sieht man das Instagram-Logo

Credit: Neonbrand I Unsplash

Good Social Media-Cop, bad Social Media-Cop?

Es gibt also auch viele, viele gute Argumente für die Nutzung der Plattformen. Nicht nur, dass man wie im Falle der Brigitte BE GREEN eine tolle Community erreicht, mit der man sich gemeinsam noch stärker für den Planet starkmachen kann. Ich habe in den letzten Wochen einige tolle Frauen, denen ich vormals auf Instagram folgte, zufällig im offline Leben getroffen und mich wahnsinnig über sie gefreut. Zum Beispiel Hamburgs Paradiesvogel Ava Carstens, Franzi Schädel, Saskia von Sonderversum, Bina von StryleTZ und Wiebke von Sloris. Es ist dann doch wirklich schade, wie wenig ich von den vielen guten Dingen, die diese Frauen machen, mitbekomme. Das begleitet mich auch im Freundeskreis. Neue Tattoos oder Urlaubsbilder sehe ich erst mit wochenlanger Verspätung. Ob mich das stört? Nicht wirklich. Ich weiß, dass Social Media auch superviel positive Aspekte hat. Siehe nur einmal #FridaysforFuture! Und auch Marken können wirklich davon profitieren, wenn sie mit guten, authentischen Social-Media-Strategien mit ihren Kunden kommunizieren, dabei von ihnen lernen und im besten Falle mit diesem Wissen auch Werte schaffen.

Ich bleibe dennoch fern von Social Media. Ich versuche lieber, die Menschen im realen Leben zu treffen. Und wenn ich doch mal die schönen Feeds der Menschen sehen will: in der Desktop-Ansicht kann ich zumindest mal kurz luschern, was zum Beispiel die Brigitte BE GREEN postet. Was ich mir sehr wünschen würde: macht die Nutzung klimaneutral, liebes Facebook, Pinterest und Instagram. Dann wäre ich auch wieder gerne dabei.

Wer noch tiefer einsteigen mag, hier kommen ein paar Buchempfehlungen:

Unfollow – Nena Schink
Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen solltest – Jaron Lanier
Das Digitale-Detox-Buch – Anitra Eggler


Edit: Mich gibts nun bei Pinterest @junieundich. Hier poste ich meine neuen Artikel und führe Pinnwände. Um meinen Fußabdruck dennoch kleinzuhalten, spende ich regelmäßig Geld an atmosfair.

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