Warum ich nicht nachhaltig lebe – (M)eine Abrechnung mit mir selbst

Ein Plakat mit der Aufschrift "Planet Earth first" hängt an einem Strommast, dahinter ist ein Garten zu sehen

Credit: Gem & Lauris RK I Unsplash

Im Grunde bin ich Öko seit ich denken kann, Fleisch und Fisch fand ich schon immer widerlich und bis auf schräge Ausnahmen wie Burger bei McDonalds in Teenietagen halten sich meine Fleischerlebnisse in Grenzen.

Seit langer Zeit bin ich vegetarisch, seit vielen Jahren zu 95 % vegan. Mit 12 habe ich einen Tierschutzclub gegründet, wir finanzierten mit unserem Taschengeld eine Plakataktion gegen Pelz, die wir in unserer Umgebung in den Läden auf hängten. Wir klebten Kaugummis in Pelze bei Karstadt&Co. und beschrieben Bettlaken, die wir an Autobahnbrücken hingen. Mein Bewusstsein für Natur und Tier war also schon sehr früh da und schärfte sich, je älter ich wurde und je mehr Geld ich zur Verfügung hatte. Ökostrom, Biolebensmittel, keine Flugreisen, keinen Führerschein, Mitglied bei einigen Organisationen. Secondhand und Fair Fashion, da wo es passt. Klingt gut? Ist gar nichts!

Ich sitze im Glashaus und werfe mit Plastiktüten

Mich kotzt die Masse an Plastikmüll, den ich verursache, an. Ich kaufe viel zu viel Kosmetikprodukte. Ich kaufe viel zu viel Lebensmittel in Plastik verpackt, rümpfe aber die Nase, wenn jemand seine Banane in diese dünnen Obsttüten einwickelt. Selber liegen aber zwei Plastikboxen, mit Folie umwickelte Salate im Einkaufswagen, Birnen in Pappschale und Plastik drum herum, Chipstüten, Nudelverpackungen, you name it. Ja, wenn ich konsequent in den Bioladen gehen würde, könnte ich schon viel einsparen, wenn auch da immer noch viel geaast wird. Aber gehe ich nun mal nicht immer, einfach, weil es nicht immer zu bezahlen ist. Und dann – echt das Allerschlimmste – werfe ich weg! Ich verschwende zu viele Lebensmittel, weil ich nicht überlegt einkaufe, sondern nach Gefühl und werfe es dann weg. Dude!

Ich bewundere die Pinterest-Minimalisten, die sich die Haushaltsseife selber mixen und wirklich, tatsächlich minimalistisch leben und nicht nur so tun, wie ich. Ich bin ein Blender, was das angeht. Ich kaufe mit Vorliebe Produkte, weil die in recycelten Plastikflaschen stecken. Aber würde es nicht viel eher Sinn machen, endlich mit Roggenshampoo&Apfelessigspülung zu starten, statt nochmal ein neues Shampoo hier und eine Bodylotion da zu kaufen? Aber ach, das ist dann ja irgendwie unbequem, das Mischen und warten und die Mehlpampe dann in der Wanne.

Und Klamotten. Ja, was würde ich gerne immer auf Fair Fashion setzen, aber ist mir dann doch alles zu unerschwinglich, oder? Dann doch die Basics im H&M abgreifen. Shirt hier, Socken da, usw. Aber BRAUCHE ich das? Nein, natürlich nicht! Ja, geht eine Jeans kaputt, kann sie natürlich ersetzt werden. Aber brauche ich vier? Nein. Ich konsumiere, um des konsumieren Willens!

Wenn die Zahlen des statistischen Umweltbundesamts mich nicht vom Hocker hauen, was dann: Durchschnittlich verbraucht jeder Bundesbürger 220,5 kg Plastikmüll pro Jahr. Zwar werden 70 % davon recycelt und größtenteils zur Energiegewinnung eingesetzt, aber dass wir mit Kontinent großen Müllteppichen in unseren Weltmeeren zu kämpfen haben oder Plastikreste auf Ackern landen, kann das nicht verhindern. Wie kann es also angehen, dass jemand, der sowieso so gepolt ist wie ich, aus reiner Bequemlichkeit immer noch so unfassbar viel konsumiert? Wie sollen denn dann die stumpfen Menschen eine Änderung ihres Konsums integrieren, wenn nicht mal ich dazu die Muße habe. Laut dem Bundesumweltamt rücken die Themen Umweltbewusstsein und Klimaschutz zwar immer mehr in den Fokus der Befragten, aber meines Erachtens immer noch nicht genug. Was nützt es uns, wenn wir immer wieder brisante Forschungsergebnisse bekommen, die auch von Politikern als brisant eingestuft werden und es immer wieder heißt „Wir müssen wirklich etwas ändern, um die nahende Katastrophe zu verhindern“ – aber wir ÄNDERN nichts. Pariser Klimaabkommen, Plastiklawinen, Tierschutz, konventionelle Agrarwirtschaft mit Glyphosat. Ob ich da jetzt ein Acne-Shirt bei Vinted erkreisele oder nicht, das bringt dem großen Ganzen nichts. ABER:  Es hat sich einiges getan in der nachwachsenden Generation. Überaus stylishe Menschen wie Bina von STRYLEZTZ oder Magazine wie Peppermynta Mag und die Konsumentin sind großartige Quellen für grüne Inspiration und bewirken tatsächlich etwas. Sie alle stehen für Fair Fashion, Klimaschutz, weniger Konsum, Slow Fashion, Veganismus, etc. Ich liebe die Entwicklung der ehemals reinen Fitness-Bloggerin Louisa hin zur Vorreiterin der Nachhaltigkeitsszene und den unermüdlichen Kampf von dariadaria.

Dennoch frage ich mich immer wieder, wie sollen wir das stemmen, was da auf uns kommt. Oder wo wir mitten drinstecken. Jahrhundertsommer, Heisszeit, Klimaflüchtende. Wie lange gibt uns Mutter Erde noch, was wir benötigen? Und wann fange ich eigentlich endlich an, mich verdammt nochmal mehr zusammenzureißen. Und wo ziehe ich die Grenze, wo darf ich mal konsumieren, wo ist es wirklich unnötig?

Meine Abrechnung: Wo lebe ich nicht nachhaltig

1. Mode

Hier bin ich ok aufgestellt. Ich kaufe brav meine Armedangels-Jeans und neue Veja Sneaker nur dann, wenn die alten auseinanderfallen. Auch Unterwäsche, Shirts und Socken kaufe ich nur fair. Teure Marken wie Acne kann ich ganz wunderbar bei Vinted und gebraucht kaufen. Und der Avocadostore hat gute, bezahlbare Basics. Check!

2. Lebensmittel

Mein ganz, ganz schwacher Punkt. Ich horte und kaufe einfach viel zu viel. Daher Notiz an mich: Erst Rezepte durchlesen, dann kaufen! Nicht nur aufschreiben „Gemüse“, sondern wirklich durchdacht einkaufen. Ich kann leider nicht immer im Bioladen kaufen, aber dann eben zumindest Bio im Rewe. Und das Plastik drumherum gleich da lassen, denn je mehr Plastik vor Ort gelassen wird, desto höher der Druck auf die Einkäufer, sich was zu überlegen.

Eine Tasse aus Keramik mit Tee darin, auf einem Teller liegen Kekse

Amandine Bataille I Unsplash

3. Interieur

Noch so ein schwacher Punkt. Wer kennt das Gefühl von Cocooning nicht – es ist Herbst, man möchte es sich hübsch und muckelig machen. Hm. Ich möchte mich hier ja auch nicht vollends beschneiden. Also gibt es nur noch nachhaltige Tassen aus dem Avocadostore und lieber nachhaltigen Kerzen, aus Biowachs (kein Soja oder Palmöl!).

4. Kosmetika

Hier wird’s schwierig. Ich hasse diese vielen Plastikverpackungen. Aber da meine Haut leider extrem zickig ist, akzeptiert sie keine Naturkosmetik und konventionelle Hersteller setzen auf nicht recyceltes Plastik, nur wenig auf Glas. Die No-Poo Sache ist super. Das kann ich integrieren. Mehl in der Wanne hin oder her. Man kann sich auch die Zahnpasta recht easy selber herstellen. Und schon wieder Plastik eingespart.

5. Technik

Als ich mir mein neues MacBook gekauft habe, habe ich mir bei betterplace.org eine Kampagne herausgesucht, die sich für die Bildung/Jobs für Frauen in Afrika einsetzen und habe dorthin gespendet. Ja, das ist eine Ablasszahlung. Aber irgendwie besser, als es gar nicht zu tun, oder? Und selbstverständlich die Geräte erst komplett alt werden lassen und nicht jedes Jahr ein neues iPhone kaufen, mein letztes war sieben Jahre alt. Ich flirte schon lange mit dem Fairphone, habe aber bislang leider nicht so gute Reviews gelesen. Wer Alternativen kennt, gerne melden.


Wer macht mit? Der ressourcen-rechner.de gibt dir Auskunft darüber, wo du so ressourcenmäßig stehst. Natürlich ist das nur eine grob errechnete Hauszahl. Tatsächlich ergibt auch der Co2-Rechner bei mir eine gute Bilanz. Aber siehe oben – es ist immer noch zu viel.

Zurück
Zurück

Me, myself & I – Warum ich so gerne alleine bin