Me, myself & I – Warum ich so gerne alleine bin

Eine Person sitzt an einem Holzsteg an einem großen See vor einem Bergpanorama
 

Ich bin so gern alleine!

Ich bin zu Besuch bei Muttern, irgendwo zwischen Hannover und Braunschweig, der Name des Dorfes kommt oft in den Verkehrsnachrichten vor. Hier bin ich einen Großteil meiner Kindheit und Teeniezeit aufgewachsen. Und habe es ehrlich geliebt, das Landleben! Streife ich jetzt durch die Felder und Wälder, lieb ich die Ruhe immer noch, könnte sofort meine Sachen packen und aufs Land ziehen. Diese Ruhe, diese Natur, ganz andere Vibes. Entschleunigung passiert hier ganz automatisch. Geht man durchs Dorf, findet man hübsch aufgereiht Einfamilienhäuser, zwei Autos, Kinderräder, natürlich einen Hund – einfach das perfekte Familienidyll.

Und das will nicht so mein Ding sein. Für diese Erkenntnis habe ich lange, sehr lange Zeit gebraucht. Irgendwie war da immer so ein merkwürdiges Gefühl im Bauch. Das mich pikste bei Themen wie Pärchenabend, nachbarschaftliches Grillen, Familienurlaube oder – bewahre – Pärchenurlaube. Auch große Cliquen, Vereinssport oder das Treffen mit netten Kollegen nach Feierabend, alles nicht meine Kragenweite. Merkwürdig war das, jahrelang habe ich gemerkt, da ist was, aber nie verstanden, warum ich nicht wie meine Kollegin fast täglich entweder ins Fitnessstudio gehe oder mich mit Freunden treffe und am Wochenende wahlweise einen Marathon laufe, mit dem Freund shoppen gehe, anschließend die Eltern besuche und flugs noch Äpfel pflücke im Alten Land.

Als ich in jungen Jahren dann nach Köln zog, alleine und für den Job, fand ich es auch überhaupt nicht merkwürdig aus dem Elternhaus weg zu sein, ich fand es herrlich, so für mich in dieser winzig-kleinen Bude zu sein. Zwar suchte ich auch Kontakte und traf mich mal hier, mal da. Aber immer nur nach meinem Gusto und mit sehr viel Zeit für mich sein. Mir reichten die freundschaftlichen Verhältnisse zu meinen Kolleginnen im Büro. Anschließend folgte zwar das Zusammenleben mit der besten Freundin und später dann auch mit dem Freund. Aber auch hier merkte ich schon, ging mir das eher an die Substanz. Über die Jahre hatte ich also meine Introvertiertheit, von der ich gar nicht musste, dass es sie gab, schließlich würde jeder Mensch, der mich kennenlernt, auf eine glasklare extrovertierte Persönlichkeit tippen, irgendwie vergraben. So richtig gemerkt habe ich das, als ich schwanger wurde und mit Mann und Kind zusammen lebte. Da war es dann wieder, zack, bumm, laut. Das Gefühl von, irgendwas stimmt hier nicht. Ich schob das aber auf normale Elternschwierigkeiten und war überzeugt, das muss so, das hat man so. Dass ich hier kräftig gegen mein Naturell gearbeitet habe, sollte ich erst später merken. Ein Urlaub mit mehreren Freundinnen in Barcelona zeigte mir wieder mal auf, wie menschenscheu ich eigentlich bin. Für mich der blanke Horror! Dagegen alleine nach New York zureisen? Suuuper!

Ein schwarz-weiß Bild einer Person, die auf einer Decke im Park liegt und ein Buch liest

Alleine sein / Valentin Salja I Unsplash

Kraft tanken im Alltag – meinen persönlichen Freiraum schützen

Schon das gemeinsame Mittagessen mit Kollegen kann anstrengend für mich sein, bin ich als PR-Frau doch sowieso den ganzen Tag zwangsläufig in der Kommunikation. Besser für mich: Kraft tanken in der Pause alleine, bei einem Spaziergang. Eine kurze Yogapause oder Atemübungen, zur Not im Kopierraum. Dabei liebe ich es, im Team zu sein. Ich habe fast ausschließlich tolle und nette Kollegen gehabt in meinem Leben. Ich möchte nicht selbstständig arbeiten, mag den Austausch mit Leuten, das gemeinsame frotzeln, ärgern und freuen. Die Introvertierte braucht aber einfach öfter mal eine Pause. Ich sage das so, weil ich auch eine extravertierte Seite habe. Das ist nicht bei jedem so. Der klassisch Introvertierte ist oft still, zurückhaltend und eher verschlossen. Das trifft auf mich nicht zu.

Auch Zuhause brauche ich ganz viel Freiraum. Ich habe mittlerweile gelernt nein zu sagen und das gar nicht mal zu den Leuten, sondern zu mir. Nein, du musst dich nicht verabreden. Nein, du musst nicht in ein Yogastudio. Nein, du musst nicht einen großen Bekanntenkreis haben und diesen bespaßen und umsorgen. Ja, nimm dir Zeit für dich so viel und wann du willst. Ja, verärgere auch mal jemanden damit. Dafür bekomme ich: himmlisches „bei mir sein“. Meine ureigenen Bedürfnisse werden gestillt. Ich betreibe viel Selfcare. Ich bin mein eigener Tribe und wenn ich Lust habe auf Gesellschaft, gehe ich raus und hole sie mir. Es war ein langer Weg, das zu begreifen und zu verstehen: „Ich muss GAR nichts“. Ein Segen. Für mich ist also die klassische vierköpfige Familie am Abendbrottisch nichts. Besser ist eine schöne Beziehung mit viel Zeit für mich und natürlich auch für den Partner. Freundschaften sind mir sehr wichtig, aber eben nur eine handvoll davon.

Wenn es dir auch so geht und du dich weiter in die Thematik einlesen möchtest oder aber auch testen möchtest, ob du eher zur Introvertiertheit neigst oder zur Extravertiertheit, verlinke ich hier einige hilfreiche Artikel und Blogs zu dem Thema. Der wohl wichtigste Blog zu dem Thema ist introvertiert.org* Hier finden sich super viele Informationen und Tipps zum Umgang damit. Tests, zu welcher Persönlichkeit man eher tendiert, gibt es beispielsweise hier. Introvertiert im Berufsalltag hat die Zeit beleuchtet.

Sag mir, wie schätzt du dich ein?

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Warum ich nicht nachhaltig lebe – (M)eine Abrechnung mit mir selbst