Baìge The Label – Im Gespräch mit Fair Fashion Designerin Bina Nöhr

Die Fair Fashion Designerin Bina Nöhr steht in einem ihrer Baige The Label Kleider im Sommer in der Heide und lächelt in die Kamera

Bina Nöhr ist keine Newcomerin. Seit 2015 bloggt sie auf stryleTZ, seit 2020 verlagerte sie sich erfolgreich auf Instagram, sie wird als Speakerin gebucht, ist Aktivistin für Umweltschutz und Tiere, steht ein für Gleichberechtigung und mahnt die Ungleichheit bei der Aufteilung der Care-Arbeit an. Sie ist zweifache Mutter und seit gut zwei Jahren betreibt sie in Eigenregie auch noch ihr erfolgreiches Fair Fashion Label „Baìge The Label“.

Weil Bina jetzt auch noch einen neuen Showroom in Barmbek-Süd eröffnet hat, der genauso ästhetisch ist, wie ihre Styles, bat ich sie um ein Gespräch.

Was ich an Bina besonders mag, ist ihre Authentizität, das ist bei ihr kein Buzz-Word, es ist das Erste, was mir in den Sinn kommt. Trifft man Bina auf der Straße, fragt nach dem Befinden, sagt sie komplett ehrlich auch mal: Joah, scheiße, Kind grad krank, Fahrrad kaputt, in der Produktion ging grad was schief. Sie spricht an, was sie nervt, auf Instagram und im realen Leben. Trotzdem ist sie positiv, hat Tatkraft und Enthusiasmus. Die Frau ist einfach ein Gesamtpaket. Lest selber:

Zwei Frauen sitzen in beigen Kleidern und Pulli in der Heide

junieundich: Bina, skizziere doch mal deine Entwicklung von der Fast Fashion Designerin zur Gründerin eines Fair Fashion Labels!

Bina: Ich wollte eigentlich schon ganz früh Modedesign studieren, ich habe immer ganz viele Modeskizzen zu Hause gezeichnet. Als Kind und Teen hatte ich noch zwei, drei Berufe zur Auswahl, zum Schluss entschied ich mich zwischen Modedesign und Innenarchitektur. Ich habe an der Uni Hamburg Mode studiert, mich nach dem Studium selbstständig gemacht. Mit einem Label, dass komplett in die Binsen gegangen ist. Das war mein erstes Scheitern, aber auch eine gute Erfahrung, auch wenn ich etwas gebraucht hatte, um mich zu sammeln. Als ich dann in der Industrie anfing zu arbeiten, habe ich als Merchandise-Designerin angefangen, und bin dann zur Designerin für Discounter-Mode gewechselt. Das war ungefähr zu der Zeit des Unglücks von Rana Plaza, also 2013. Und da fing das Umdenken an, mit meinem Einblick in die Industrie. Und ich habe auch gemerkt, dass der kreative Input überhaupt nicht gefragt ist, weshalb ich meinen Blog gegründet hatte. Der sollte ursprünglich nur Streetstyles zeigen, hat sich dann aber doch zu einem persönlichen Blog entwickelt, wo ich mich dann viel mit Mode befasst habe und so immer mehr zu Fair Fashion gekommen bin.

Zu dem Zeitpunkt wollte ich gar kein eigenes Label haben, weil man da viel Arbeit reinstecken und auch vorfinanzieren muss. Aber irgendwie habe ich unbewusst im Hintergrund doch die Arbeit gemacht, mir ein breites Netzwerk zu anderen Influencer*innen und Labels aufgebaut. Und 2020, im Lockdown und mit Kids zu Hause, kurz vor Ende der Elternzeit, da habe ich mir gedacht: jetzt machst du es.

Ich hatte gleich die Vision von dem Label, die war einfach da. Ich wusste genau, wie ich das Label nennen möchte, wusste die Styles, welches Konzept ich machen möchte. Und habe dann im Mai 2021 „Baìge The Label“ gelauncht.

Interessant, warum wurde es gerade „Baìge“?

Mir kam halt gleich beige in den Sinn. So heißt das Label ja, wenn auch anders geschrieben – die normale Schreibweise ist natürlich bereits weg gewesen. Also habe ich eine andere Schreibweise gewählt. Beige ist für mich die Ursprungs-Farbe. Ich wusste, dass ich ein minimalistisches Modelabel machen möchte und ich wollte von einem Ursprung ausgehen, von dem aus ganz viel möglich ist und das ist es für mich. Natürlich und entspannt, von da aus kann man in viele Richtungen gehen und beige spiegelt sich auch in vielen Kleidungsstücken von mir und in meiner Einrichtung wider.

Die Fair Fashion Designerin Bina Nöhr trägt ihre eigenen Entwürfe, es sind beige Kleidungsstücke und steht in der sommerlichen Heide

Woher hast du denn gerade in dieser Lockdown-Zeit diesen großen Mut hergenommen?

Lacht: Menschen, die gründen oder Produkte erschaffen, die gehen immer davon aus, dass es irgendwie klappt. Die blenden die Risiken vom Scheitern aus, das muss man auch. Man ist sich auch nicht über alle Konsequenzen bewusst, sonst würde man es nicht wagen. Ich wusste, es wird schwierig, aber ich habe es mir auch tatsächlich nicht so schwierig vorgestellt, wenn ich jetzt nochmal reflektieren würde, über was für Hindernisse und die aktuellen Krisen ich durchgehen musste, ich hätte es nicht gemacht. Aber ich bin jetzt froh, dass ich das gemacht habe.

Für mich hatte sich das zu dem Zeitpunkt alles so rund angefühlt, ich hatte bereits einen reichweitenstarken Instagram-Kanal und kannte viele tolle Menschen. Ich hatte dieses Konzept, das Sinn für mich macht, ich hatte das Gefühl, ich habe noch so eine Nische gefunden, etwas, das es so noch nicht gab und woran man sich satt gesehen hat. Ich dachte nach den Lockdowns, wird alles gut und einfach werden. Und das war ein schönes Gefühl zu dem Zeitpunkt.

Die Kleinste war da ein Jahr alt und meine große Tochter war vier. Und dann saß ich mit zwei kleinen Kindern zu Hause und musste die ersten Produktions-Calls machen. Ich musste mich da durchhangeln und ich war nie so komplett frei, wie eigentlich gedacht. Hinzu kamen Stolpersteine wie die Suche nach den richtigen Partnern, um bspw. Teile der Produktion outsourcen. Ich hatte da eine Agentur, und das war im Nachgang keine gute Entscheidung. Die haben einfach nicht so gearbeitet, wie das für mein Label zuträglich gewesen wäre. Da gab es von Lieferschwierigkeiten zu Fehlproduktion über Verarbeitungsprobleme und das war im Hintergrund immer viele Baustellen, und das war schon anstrengend. Seit 2022 mache ich die Produktion selbst, und finde es viel besser, es ist viel einfacher, und es ist gar nicht so viel mehr Aufwand. Ich bin durch meine Vorerfahrung ja damit auch vertraut.

Das klingt nach Mehrbelastung, wie viel arbeitest du denn täglich?

Ich arbeite die Vormittage, wo die Kinder in der Schule und Kita sind und dann halt immer mal so zwischendurch, ich habe ja auch noch den Instagram Account, für den ich an den Wochenenden vorproduziere. An den Abenden noch schnell ein paar Sachen erledigen, ich bin eigentlich dauerhaft im Einsatz, auch wenn ich nicht den ganzen Tag am Rechner bin. Man ist halt auch im Urlaub abrufbereit, aber das möchte ich nicht dauerhaft machen.

Wie schaffst du das mental?

Lacht: manchmal besser, manchmal schlechter. Ich weiß für mich, dass das nicht gesund ist, dass über eine lange Zeit zu machen. Es ist für mich in Ordnung, dass es jetzt noch ein bisschen andauert, das habe ich für mich einkalkuliert, auch aufgrund der Situation durch die Krisen, dass ich mir jetzt noch keine Hilfe organisieren kann.

Erzähl mal mehr zu den typischen Baìge-Styles:

Das war gleich so ein Vibe, ich dachte, ich möchte mehr Leichtigkeit im Leben haben, und jedes der Stücke soll bequem sein, nichts soll sich unangenehm anfühlen. So gut wie alle Styles sind aus Bio-Baumwolle mit Elastan, damit es sich immer mit dehnt. Es gibt keine Reißverschlüsse und keine Knöpfe, sondern alles ist sehr flowy und soft. Ich gebe immer ein bisschen mehr Weite, sodass das nicht so eng am Körper sitzt, dass man sich nicht vom Stoff eingeengt fühlt. Und dieser Vibe ist relaxt, ich arbeite von zu Hause auf der Couch, aber ich kann direkt mit den Sachen losgehen, einkaufen, oder abends damit noch essen gehen. Gerade bei weiblich gelesenen Personen, da ist es typisch, dass wir kritisch sind und schauen, welche Körperstellen uns nicht so gefallen und die verstecken wollen. Ich möchte, dass die Leute einfach meine Sachen anziehen und sich fühlen wie im Jogginganzug, aber es sieht halt nicht aus wie einer.

Zwei Frauen in Minikleidern, eine in weiß, die andere trägt schwarz, sitzen im Sand

Was ist gerade neu beim Label?

Ich bin im Hanseviertel in dem Concept-Store der Kreativgesellschaft, wo ganz viele lokale, nachhaltige Labels zu finden sind, Fair Fashion, aber auch Interieur. Zudem habe ich meinen Showroom in der Humboldtstraße 128 eröffnet. Hier kann man auf Anfrage die Styles probieren und hier arbeite ich auch. Gerade bin ich dabei an meinem internationalen Auftritt zu arbeiten, damit ich auch international versenden kann. Und bald kommt ein neuer Drop, schaut also gerne mal bei mir vorbei!

Der Showroom von Baige The Label, man sieht eine Kleiderstange mit Kleidern daran, ein Poster, eine Vase und einen Sessel in einem weißen Raum

Der Showroom in der Humboldtstraße


Mehr Infos und den Shop findet ihr auf der Webpage von Baìge The Label.

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