Favoriten: Politische Bücher im Superwahljahr 2024

Eine Collage mit acht politischen Büchern, dabei sind "Putins Krieg gegen die Frauen", "Werbung für die Wahrheit" und "Der Tag an dem ich sterben sollte!

Fotos: PR

Wir befinden uns bereits mitten im globalen Superwahljahr. In Russland wird beispielsweise dieses Wochenende „gewählt“. In Afrika wird über das ganze Jahr hinweg das Kreuz gesetzt – just wurden erst die Wahlen im demokratischen Senegal verschoben, ein Affront, der zu landesweiten Protesten führte. Auch in Asien stehen Wahlen an, Bangladesch und Taiwan stimmten bereits ab, weitere Länder folgen. Für das EU-Parlament wird gestimmt, dazu kommen deutsche Landtags- und Kommunalwahlen und die für das österreichische Parlament. Eine Wahl, die vielleicht auch ein Spiegelbild für unsere kommende Bundestagswahlen sein könnten, denn dort sind die Rechtspopulisten stark wie hier. Wenn nicht stärker. Die Präsidentschaftswahlen der USA im November stehen an, es wird – da bin ich mir sehr sicher – Trump, und somit steht der deutschen Wirtschaft eine schwere Krise bevor.

Die ganze Welt steht also in Aufruhr. Weil ein tiefgehendes Verständnis von gesellschaftlichen Systemen und von politischen Strukturen wichtig ist, um sich eine dezidierte Meinung zu bilden, weil Fake News besonders vor Wahlen unbedingt entlarvt werden, vertrauenswürdige Quellen recherchiert werden müssen und weil Bücher sowieso eine besondere Rolle in meinem Leben und hier auf dem Blog spielen, gibt es hier acht politische Bücher, die genau darauf abzielen. Persönliche Bücher, Sachbücher, gesellschaftskritische Bücher. Und am Schluss eine längere Rezension von „Werbung für die Wahrheit“. Wählt euer Buch der Stunde hier:

Das Cover vom Buch "Putins Krieg gegen die Frauen" von Sofi Oksanen, darauf auf blauem Hintergrund typisch Ukrainische Illustrationen

Sofi Oksanen – Putins Krieg gegen die Frauen

Dass Putins antifeministisches Weltbild auch seine Politik beeinflusst, zeigt die Autorin und studierte Dramaturgin Sofi Oksanen seit vielen Jahren und im Speziellen in ihrem Sachbuch „Putins Krieg gegen die Frauen“. Schon lange setzt sie sich in ihren Arbeiten mit den frauenfeindlichen Tendenzen der sowjetischen Politik auseinander, nicht zuletzt genährt durch den Fakt, dass ihre Großmutter von sowjetischen Soldaten als Ausdruck von kriegerischer Gewalt vergewaltigt wurde. Die Autorin sieht in der Außenpolitik Putins und im Angriffskrieg gegen die Ukraine jedoch noch weit mehr Gewaltformen, die sich explizit gegen Frauen richten. Oksanen skizziert nicht nur die sexuelle Gewalt als Waffe, sondern auch die Feindlichkeit gegenüber Frauen in Russland als Instrument der Machtfestigung. Sofi Oksanen gilt als Kennerin Russlands und besonders der dort herrschenden, strategischen Misogynie.

Steffen Mau, Thomas Lux, Linus Westheuser – Triggerpunkte

Ich bin leicht zu triggern und habe Schwierigkeiten, mich außerhalb der confirmation bias Argumenten gegenüber zu öffnen. Damit bin ich schnell intolerant, beanspruche für mich aber das Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen, schließlich versuche ich möglichst ethisch und sozial-gerecht zu denken, leben und zu handeln. Allein, das entfernt mich von Menschen mit anderer Meinung, als der meinen. Ist das dann schon eine Spaltung? Dem geht „Triggerpunkte“ im Rahmen einer soziologischen Studie auf den Grund. Das Resümee: es wird mehr von einer Spaltung geredet, als tatsächlich eine da ist, laut den Autoren haben wir alle mehr oder weniger einen Konsens bei den wichtigsten Themen: Armut und Reichtum; Migration; Diversität und Gender; Klimaschutz. Allerdings, innerhalb der Ergebnisse gehen die Meinungen auseinander: „Gleichstellung ja, aber bitte keine »Gendersprache«! Umweltschutz ja, aber wer trägt die Kosten?“, so beschreiben es die Autoren im Buch. Funfact: Ich schaue derzeit die alten Folgen Lindenstraße. Jedes, aber auch jedes Thema, das heute heiß diskutiert wird, wurde auch 1989 bereits durchgekaut. Gendern, Umweltzerstörung, (Re-)Migration – der Mensch ist und bleibt ein stumpfes Tier.

Das Cover zum Buch "Der Tag an dem ich sterben sollte", darauf zu sehen der Autor Said Etris Hashemi mit nacktem Oberkörper, zu sehen seine Schusswunden

Said Etris Hashemi - Der Tag, an dem ich sterben sollte

Rechter Terror, das ist so suspekt, das ist buchstäblich kaum zu greifen. Als am 19. Februar vor vier Jahren ein Rechtsextremist durch Hanau wütet und Menschen tötet, spielen zudem auch noch beispielloses Behördenversagen eine Rolle beim Tod vieler unschuldiger Menschen. Der damals 23-jährige Said Etris Hashemi ist unter den Opfern, überlebt aber, sein kleiner Bruder Said Nesar nicht. In „Der Tag, an dem ich sterben sollte“ schreibt Said Etris über diesen Tag aber auch über seine Erlebnisse der folgenden Jahre, er berichtet über die Überforderung der Polizei in der Tatnacht und danach, über nicht besetzte Notrufsysteme, darüber, dass der Notausgang in der Arena Bar verriegelt war und Menschen so nicht vor den Schüssen flüchten konnten. Said Etris zeichnet mit seinem Buch eine scharfe Gesellschaftsanalyse und hat mit dieser sehr persönlichen Geschichte ein wichtiges Mahnmal gegen Rassismus gesetzt.

Christian Stöcker – Männer, die die Welt verbrennen

Ich habe es hier schon oft erwähnt, ich bin es so leid, der „Zerstörung des menschlichen Lebensraums“ zuzusehen und Parolen wie „Jetzt müssen wir was tun“ zu rufen. Wir hätten vor vierzig Jahren was tun sollen. Und trotzdem sind Bücher wie „Männer, die die Welt verbrennen“ unendlich wichtig, immer wieder muss der Finger in die Wunde gelegt werden, um den immer noch zu bequemen Menschen, die die Macht haben, Menschen abzuwählen, die für das ewige, Umwelt zerstörerische Desaster verantwortlich sind. Die Politiker*innen, die Wirtschaftsentscheider*innen betreiben ihre Verantwortungsdiffusion, sie alle wissen um die Konsequenz ihres (Nicht-) Handelns. Es ist die Wählerschaft, die den Unterschied machen muss. Stöcker ruft auf zum Kampf gegen gewissenlose Geldmacher*innen, egomane Staatslenker*innen und verlogene Propagandist*innen. Und er benennt sie: Mohammed bin Salman, Wladimir Putin, Rupert Murdoch, Donald Trump und Mathias Döpfner, Sahra Wagenknecht. Und das ist nur ein kleiner Kreis. Der Autor fordert, die Welt zu retten vor diesen Verbrennern und Verblender*innen, Lügner*innen und Kleptokrat*innen, die von Öl und Gas profitieren. Und er liefert uns die Argumente, mit denen wir im öffentlichen und privaten Streit klarmachen können, warum das fossile Zeitalter am Ende ist und die Zukunft in den erneuerbaren Energien liegt.

Unlearn Patriarchy 2

Schon der erste Teil von »Unlearn Patriarchy« wurde zum Bestseller. Wie auch im ersten Teil geht es um fatale Denkmuster, unter denen unsere (globale) Gesellschaft leidet. Dieses Mal versammeln die Herausgeberinnen und Bestsellerautorinnen Emilia Roig und Alexandra Zykunov zusammen mit Silvie Horch neue prominente Autor*innen und Aktivist*innen. In 13 authentisch, radikalen Essays beleuchten die Beitragenden die krassen Auswirkungen des Patriarchats auf unser aller Leben. Sie berichten von ihrem eigenen Weg hin in eine diskriminierungsfreie Gesellschaft und geben Impulse, wie wir internalisierte Muster erkennen und aufgeben können. Ungleichheit bedeutet immer auch Ausbeutung, bedeutet immer auch Konflikte. Wir müssen alte Denkmuster verlernen und Platz für neue, gerechte Strukturen schaffen, unabhängig von Gender, Herkunft, Hautfarbe, körperlicher und psychischer Gesundheit. Und wenn’s nach mir geht, auch der Spezies, aber das ist wohl noch ein anderes Thema.

Das Cover zum Buch "Democracy Awakening", darauf eine Illustration einer Hand, die eine Fackel hält

Heather Cox Richardson – Democracy Awakening

Um das Heute zu verstehen, lohnt sich der Blick auf das Gestern. Die Historikerin Heather Cox Richardson hat in „Democracy Awakening“ die Entstehung der amerikanischen Demokratie beleuchtet, und auch, wo heute die Gefahren für eben jene Demokratie lauern. Ihre tiefgehend, fundierten Texte sind gleichzeitig leicht zugänglich und so schafft sie es, die Brücke von den Gründern der Vereinigten Staaten, über die Abolitionisten bis hin zu Nixon hin zu dem Aufstand vom 6. Januar zu schlagen. Auch, wo die Wurzeln von Trump Macht liegen, und wie man sie kappen kann, zeichnet sie nach. Absolut lesenswert für alle, die sich für amerikanische Politik, Gesellschaft und Geschichte interessieren. Also mich.

Find Me the Votes – Michael Isikoff, Daniel Klaidman

Es erstaunt mich immer wieder, wie die Skripte von Blockbustern der Wahrheit entsprechen, oder zumindest könnten. Dass ein demokratisch gewählter US-Präsident den Sturm aufs Kapitol unterstützt, Wahlbetrug begeht und Steuern im großen Stil hinterzieht und dafür niemals belangt wird – das ist doch Science-Fiction-Stoff. Und leider Realität. In „Find Me the Votes“ wird genau das beleuchtet: der versuchte Wahlbetrug Trumps im Bundesstaat Georgia zur Election 2020. Sein verzweifelter, manipulativer, betrügerischer Versuch, genau 11,780 Stimmen zu „finden“, um diese Wahl doch noch zu gewinnen.

Die Investigativ-Journalisten Isikoff und Klaidman haben einen scharfen Bericht über Trumps Lügenkonstrukt gezeichnet. An ihrer Seite die Tochter eines Bürgerrechtsaktivisten, die Staatsanwältin Fani Willis. Trump, der bis heute das Narrativ der gestohlenen Wahl verbreitet und sich darauf beruft, dass auch eine kommende verlorene Wahl rein auf demokratische Betrügereien zurückzuführen sei, hat eindeutig und unzweifelhaft Wahlbetrug angeordnet. Isikoff und Klaidman legen neue Details über Pläne, die Wahlgeräte in mehreren Bundesstaaten zu beschlagnahmen und über die entlarvende Kommunikation zwischen dem Präsidenten und seinen Mitverschwörern vor. Trump bedrohte, beleidigte und bedrohte Fani Willis und mit ihr wurden Mitarbeiter*innen, die an der Wahl in Georgia mitwirkten, beleidigt, diffamiert und bedrängt. Trumps System beruht auf Angst und Macht, auf Lügen und Betrug. Dieses investigative Buch zeigt das schonungslos.


Dies ist das Buchcover von "Werbung für die Wahrheit", darauf ein Bild vom Autor

Rezension – Thomas Laschyk - Werbung für die Wahrheit

Klar, auch ich falle auf Fake News herein. Besonders, wenn es um angstbesetzte Themen geht. Denn Panik übernimmt schneller die Gedankenkontrolle, als Skepsis. Und guess what, genau diesen Mechanismus nutzen die Verbreiter*innen von Fake News. Verschwörungstheoretiker*innen und gewisse, gewissenlose Boulevardmedien.

Wie gut, dass es den Volksverpetzer Thomas Laschyk gibt. Er und sein Team aus engagierten und couragierten Menschen entlarven falsche Meldungen seit gut zehn Jahren. So entblößen sie bspw. den von mir sehr verabscheuten Julian Reichelt immer wieder. Gerne auch dessen ober peinlichen Newskanal Nius. Das ist mir stets eine Freude, aber ich empfinde auch Fremdscham für die Reichelts dieser Welt. Der Volsverpetzer lebt allerdings von den grotesken Meldungen und beschäftigt sich tagtäglich mit diesen Absurditäten.

Wir alle fallen auf Fake News herein. Sie kommen oft als gute Geschichten daher, die in unser Weltbild passen. Thomas Laschyk.

Laschyk hat sein Wissen nun in seinem Buch „Werbung für die Wahrheit“ niedergeschrieben. Ein Buch voll mit Beispielen, wie selbst etablierte Medien Nachrichten aus dem Kontext reißen und so, bewusst oder unbewusst, beitragen zu den gefakten News. Wie der Blog selbst ist auch die vom Autor gewählte Sprache im Buch einfach, die Beispiele leicht erklärt und gut zugänglich. Hier wird die Entstehung reißerischer Headlines, die im Grunde auf einem Fitzelchen Wahrheit beruhen, aber derart aus dem Kontext gerissen werden, dass es am Ende nicht nur gelogen ist, sondern gerne auch noch zu massiven Protesten führt, dargestellt – also eigentlich der normale Alltag eines BILD-Mitwirkenden. Und so lässt sich nachvollziehen, warum zum Beispiel aus einer vagen Idee zu neuen Ernährungs-Empfehlungen und ersten Umfragen zum Thema „Ungesunder Fleischkonsum“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft eine Hass-Welle entsteht, angefacht durch Springer-Medien. Denn beim „Kleinen Mann“ kam an: Die Politik verbietet ab sofort das Fleisch essen. Große Empörung, klar, ist ja auch ein wichtiges Thema im Normalo-Bürgertum. Nicht so schlimm wie Millionenfache Steuerhinterziehung oder Kinderarmut in Deutschland. Laschyk jedenfalls wird nicht müde, immer und immer wieder solchen Geschichten auf den Grund zu gehen, sie in den richtigen Kontext zu setzen, Statistiken und Umfragen richtig und wissenschaftlich fundiert auszuwerten und die Ergebnisse zu veröffentlichen. Ihm ist es wichtig, uns Handlungsempfehlungen an die Hand zu geben, damit wir nicht auch mitgezogen werden in den Strudel von Hassnachrichten, von Verleumdungen und Panikmache. Also erklärt er uns, wie Geschichten entstehen und wie simple sie konstruiert werden können – und wie leicht unser Gehirn darauf hereinfällt. Und auch, warum Social Media so gerne Hass verbreiten lässt. Hass bringt Traffic und Traffic bringt Geld.

Verbreite ich etwa auch Fake News?

Ja, auch ich kann jederzeit fake News verbreiten. Lese ich nur eine reißerische Headline, ohne den Inhalt zu prüfen, verbreite diese oder Teile davon – baaam, schon ist eine falsche Meldung verbreitet, wenn auch nicht gewollt. Und das geht schnell. Ich habe ja weder eine/n Faktenchecker*in noch eine/n Chef/in vom Dienst im Team.

Aber selbst Menschen mit eben jenen Redaktionsmitgliedern von öffentlich-rechtlichen Medien bis Spiegel, FAZ oder der ZEIT passiert eben das. Die Vermischung von Meinung, Fakten und Framing führt zu problematischen Aussagen wie bei einem Beispiel des MDR, wo eine Wirtschaftsredakteurin Corona-Zahlen falsch darstellte und ihre Meinung kundtat, Ungeimpfte seien zu Unrecht zu Sündenböcken gemacht. Wie aber schützt man sich und andere vor falschen Fakten, alternativen Wahrheiten und verschwörenden Theorien? Laschyk gibt uns einen Step-by-Step Leitfaden an die Hand: Wie checke ich Fakten, wie vermeide ich die unbewusste Vervielfältigung von Fake News, wie kann ich selber gut recherchierte, valide Fakten aufbereiten und als Gegen-Argumentation.

Mein Fazit zu Werbung für die Wahrheit:

Die wohl wichtigste Botschaft des Buchs hat der Autor als Aufmacher zum Klappentext: Keine Demokratie ohne Fakten. Und ich persönlich bin nach dem Lesen des Buches vor allem mal wieder froh darüber, keine sozialen Netzwerke zu konsumieren. Kein X, kein Facebook, kein LinkedIn, kein Instagram, sowieso und niemals TikTok. Ja nicht mal Bluesky, die wesentlich freundlichere Variante von X. Die digitale, permanente Beeinflussung von Menschen weltweit, gerade in den Zeiten um Wahlperioden, die gleicht, das zeigt mir Laschyk wieder glasklar, einem Desinformations-Krieg. Das ist brandgefährlich. Und wir befinden uns mittendrin. Es bleibt zu hoffen, dass sehr viele Menschen „Werbung für die Wahrheit“ lesen, daraus lernen, mithelfen bei der Aufklärung von Fake News und dem Löschen von Fake Accounts. Amen.

Credit: One World I Markus Spiske
Credit: Justice I Nathan Dumlao

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