Klare Kante Hamburg: Stimmen zum Angriffskrieg gegen die Ukraine

Seit sieben Tagen tobt der Angriffskrieg auf die Ukraine und in vielen von uns toben Gedanken und Gefühle. Ich habe einige Hamburger*innen gebeten, mir ihre Gedanken zum Thema Krieg mitzuteilen. Hier kommen die ersten Stimmen von Menschen, die jetzt Klare Kante zeigen:

Ein schwarz-weiß Foto eienr Frau, die in die Kamera blickt

Alina, Beraterin (geboren in St. Petersburg)

"Es ist alles einfach eine furchtbare Tragödie! Es leiden Menschen auf allen Seiten und wofür? Für mich ist es einfach unfassbar. Was in der Ukraine passiert, ist mit keinen Argumenten zu rechtfertigen und einfach beschämend! Schlimm finde ich aber, dass viele Menschen (vor allem die, die eigentlich überhaupt keine Ahnung haben) nun alle Russen in einen Topf werfen. Auch Russen haben Freunde, Bekannte und Familie in oder aus der Ukraine! Auch sie wollen keinen Krieg und kein Blutvergießen.
Was ich mich frage: Wen treffen die ganzen Sanktionen, die der Westen auferlegt? Bisher bekomme ich mit, dass es nicht diejenigen trifft, die es sollte, sondern Menschen, die eigentlich gegen diesen Krieg und Putin sind! 

Wichtig ist, dass man jetzt nicht hektisch wird, sich richtig informiert und versucht zu helfen, wo man kann. Viele helfen auch, ohne groß darüber auf Instagram zu erzählen – eher im privaten Rahmen. Das darf man nie vergessen, bevor man jemanden verurteilt. Fragen hilft! Es gibt online viele großartige Spendenaktionen, aber auch Möglichkeiten, Schlafplätze anzubieten!"

Ein mann lächelt in die Kamera, man sieht nur einen Kopf

Johannes, Freigeist

„Ich bin gegen Krieg auf Kosten anderer – den Krieg um Verteilung zum Beispiel, der permanent da ist und immer schlimmer zu sein geworden scheint. Warum dürfen wir immer mehr wollen? Warum wollen wir lieber günstiges Gas, statt in die Nutzung von Wind zu investieren? Es tut mir im Herzen weh, wie auf dem Rücken armer Menschen Machtkämpfe ausgeübt werden – an der Ostfront immerhin schon seit acht Jahren. Und ich spüre auch hier in Hamburg eine gewisse atomare Angst. Trotzdem bin ich der Meinung, dass die Idee, den Waffenetat so massiv zu erhöhen und aufzurüsten, das Problem nicht lösen wird.“

Mimi Sewalski, Gründerin vom Avocadostore steht vor einer Bücherwand

Mimi, Geschäftsführerin Avocadostore

„Klimakrise, Covid-19-Pandemie und nun auch ein Krieg in unmittelbarer Nähe. Wir leben in einer Zeitenwende, die an unseren bisherigen Strukturen rüttelt, aber auch eine große Chance ist. Wir müssen nicht das Klima retten, sondern uns: Es geht um "people over planet" und "peace over war", es geht darum, auch global zukunftsfähig zu agieren und neue Schritte zu wagen. Was nicht passieren darf, ist das "weiter so" und "wird schon werden", die letzten Jahre haben uns hoffentlich etwas aufgeweckt und helfen uns, unser Wertesystem neu anzuordnen.“


Eine junge Frau sitzt in einem Café und blickt auf ihr Handy

Marlene, Abiturientin

„Ich bin geschockt von allem, was da gerade alles passiert! Niemals hätte ich damit gerechnet, dass die Situation so eskaliert. Ich fühle vor allem mit den Menschen in der Ukraine, aber auch mit all den unschuldigen Russ*innen, die unter Putins Entscheidungen leiden müssen und sich nicht zum Krieg entschieden haben. Ich selbst bekomme viele verschiedene Infos und Meinungen dazu auf Social Media mit, besonders auf TikTok und Instagram. Was mich richtig geschockt hat war, wie viele Leute in meinem Alter sich überhaupt nicht informiert haben und sich deshalb darüber lustig machen. Dort werden dann Videos hochgeladen, in denen sie dann fragen, was sie denn im 3. Weltkrieg anziehen sollen und dass sie gerade keine Lust auf Krieg haben. Wenn ich sowas sehe, schäme ich mich einfach nur für solche Menschen. Ich wünsche mir wirklich, dass keine weiteren Menschen Angst haben oder sogar sterben müssen.“


Leon Alam von den Grünen, Hamburg blickt freundlich in die Kamera

Credit: Grüne Hamburg I Henning Angerer

Leon, stellvertretender Landesvorsitzender GRÜNE Hamburg

"Putins Angriffskrieg in der Ukraine ist ein krasser Völkerrechtsbruch, der auf allen Ebenen Konsequenzen haben muss. Die Menschen auf der ganzen Welt zeigen eindrucksvoll, dass sie solidarisch an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer stehen - auf Demonstrationen, mit Spenden und unzähligen Hilfsangeboten. Wir alle tun, was wir können, um zu helfen, auch wenn das vermutlich nie genug ist."

Eine Frau mit einem sportlichen Fahrrad steht auf der Straße

Lena, Beraterin

„Ich muss ehrlich sagen, dass mir da eigentlich gerade absolut die Worte fehlen. Ich war gerade erst dabei, mir Mithilfe von Podcasts und Dokus die Hintergründe zu erarbeiten und mir ein Urteil bilden zu können. Und zack, war der Krieg schon da. Ich bin damit mental sehr überfordert. Was mich gerade sehr traurig macht – abgesehen von der schrecklichen Situation in der Ukraine: Bei der Flüchtlingsaufnahme scheint es eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zu geben. Seit Monaten erfrieren Menschen an der polnischen Grenze und bei den Ukrainerinnen und Ukrainern sind alle Türen offen – was ich damit ausdrücklich nicht kritisieren möchte. Ich werde wieder an die Seebrücke spenden, weil es etwas ist, was ich direkt tun kann.“

Ein schwarz-weiß Bild von einem mann, der ein Pappschild in der Hand hält, auf dem "Water is a human right" steht

Björn, Kommunikationsberater & Buchautor

„Die vergangenen Tage sind der letzte nötige Beleg dafür, dass wir die Definition des Begriffs ‚Intelligenz‘ neu formulieren müssen. Und wenn wir das nicht wollen, dann kann ab sofort niemand mehr bei der Spezies Mensch von intelligenten Wesen sprechen. Auch die schon immer ausgesprochen überhebliche Selbstbezeichnung als Homo sapiens – also verstehender, kluger, vernünftiger Mensch – ist spätestens jetzt durch so etwas wie homo simplex et stultus – der einfältige und dumme Mensch – auszutauschen. Wir haben es in vielen Jahrtausenden nicht geschafft, die uns durch die Natur gegebenen kognitiven Fähigkeiten zu nutzen, um eine gerechte, nachhaltige Weltgemeinschaft aufzubauen – im Gegenteil: Wir haben eine zutiefst ungerechte, kurz vor dem Klima- und Biodiversitätskollaps stehende Welt geschaffen und Waffen, mit denen sich die Menschheit innerhalb weniger Tage komplett ausradieren kann. Wir sind nicht in der Lage, länger als ein paar Jahre im Voraus zu planen. Unsere Empathie endet spätestens vor der eigenen Haustür. Wir haben keine Ahnung, wie wir unser Wissen und unsere Fähigkeit des komplexen Denkens sinnvoll einsetzen können. Und der Angriff Putins auf die Ukraine ist der Beleg dafür, dass der Mensch nichts, aber auch wirklich nichts aus den Geschehnissen der Vergangenheit lernt.

Natürlich hat nicht „der“ Mensch die Ukraine angegriffen, sondern Wladimir Putin und seine Gefolgsleute. Aber „der“ Mensch macht es immer wieder möglich, dass Menschen wie Putin überhaupt in so eine mächtige Position kommen. Vermutlich werden wir also in die Erdgeschichte als diejenige Spezies eingehen, die ihre „Intelligenz“ dafür genutzt hat, um sich selbst abzuschaffen. Wow! Na gut, ich gebe zu: Es ist schön zu sehen, wie viele Menschen sich gerade regen, Anteilnehmen an dem Leid der Menschen in der Ukraine und auch ganz aktiv helfen. Aber meine Hoffnung darauf, dass wir unserer Selbstbeschreibung als Homo sapiens nun endlich gerecht werden, ist gering. Belehrt mich gerne eines Besseren und fangt gerne mit sofortigem Frieden in der Ukraine an.“

Ein Hund liegt auf seinem Bettchen

Doggy

”Rö-Rö-Rö” (Bedeutet übersetzt: FCK PTN – von dem Angriff auf die Ukraine sind auch mehr als 10 Millionen Haustiere betroffen)

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„Die Welt ist nicht mehr, wie sie war“ – Im Gespräch mit Natalie, Ukraine-Aktivistin

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