Die Hexen, die ich rief – Shisha Rainbow, die Gurls von Wiiitch, Please und Bex von The Witches‘ Cookery

Hier liegen Tarotkarten, ein Mond-Rituale-Buch und Kräuter sowie Kristalle auf einem Tisch

Credit: Content Pixie, Unsplash


Nein, ich folge hier keinem Witchtok-Trend. Ich mag Hexen und interessiere mich fürs Okkulte, seit ich ca. Mitte der 80er ein Buch halten (und damit lesen) konnte. Erzählungen von Hexen, Preußlers kleine Hexe, Bibi Blocksberg – die wurden von mir alle geliebt.

Meine Mutter spielte mit okkulten Objekten in ihrem Modedesign, auf ihrem Schminktisch stand ein echter Totenkopf und meine Großmutter nahm an Séancen teil. Eine Hexe muss überhaupt nichts Okkultes an sich haben, das ist klar. Aber so schnupperte ich nun mal an beidem ein bisschen herum. Ein Faible für das Morbide blieb, spätestens als ich als 13-Jährige anfing, die Schundhefte der Mystery-Reihe zu lesen, war ich hooked und in der Gothic-Phase angekommen.

Hier liegen viele Grusel-Romane mit dem Namen Mystery aus dem Cora-Verlag auf einem Tisch

Zugegeben: Lieb ich heute noch

Ich versuchte mir erfolglos das Lesen von Teeblättern und Telekinese beizubringen, oder wenigstens eine Astralreise. Aber Körper und Geist blieben störrisch in meinem Heimatdorf kleben. Hmpf.

Hexen verstand ich immer als Frauen, die im Einklang mit der Natur leben, im Wald und mit Tieren. Aber durchaus auch als Weiß- oder eben auch Schwarz magisch. Beides zog mich an, ich sage ja, morbides Faible. Im Wicca und auch im allgemeinen Hexentum sagt man: An ye harm none do as ye will (Solange es niemandem schadet, tu was du willst). Ja, gehe ich mit. Aber ach, so schwarz magische Praktiken sind schon auch spannend. Schließlich steht in meinem Buchregal gleich neben der Bibel auch die Satanische Bibel. Muss man auch beides gelesen habe, finde ich.

Back to Business: Wenn ich heute also noch (Wicca-)Bücher lese, Hexen-Podcasts höre und mich selber ein bisschen wie eine Green Witch fühle, so mache ich das nicht innerhalb einer Szene. Von Szenen, auch der Yoga-Szene, halte ich mich schlicht grundsätzlich fern. Weit, weit, Neuseeland-fern. Keine Dogmen und bitte keine Elite für mich. Ich bin lieber Zaungast.

Tarotkarten, Kerzen und Kristalle stehen auf einem Tisch

Credit: Content Pixie, Unsplash

Keine aus der Hexen-Szene

Ich habe also wirklich gar keine Ahnung von der deutschen Hexen-Szene. Das hier, diese Frauen, die ich hier vorstelle, die ich rief, oder die mich riefen; das sind schlicht spannende Persönlichkeiten, die mir das Leben vor die Füße geworfen hat. Ob die jetzt superbekannt, super-konservativ oder super-hyped sind: I don’t care. Ich mag die, und das ist mir das wichtigste. Ich fühle mich inspiriert, aufgehoben und jede für sich gibt mir das, was ich eben von ihr brauche. Von Kräuterkunde zu Rezepten, zur Psychologischen Magick und eben auch Unterhaltung.

Und deshalb geht direkt mal los mit der grundsympathischen, Gute-Laune-versprühenden Bex von The Witches‘ Cookery.

Eine Frau in einem Kleid streift durch einen schönen Wald

Bex in ihrem Habitus / Credit: The Witches’ Cookery

Bex von The Witches‘ Cookery – Die mit den allerbesten Rezepten

Zu Bex kam ich über Harry Potter. Als ausgemachter Potterhead since 2001 traf ich hier offensichtlich auf eine Gleichgesinnte mit ihrem YouTube-Video „Witchy Makeover I Hufflepuff Living Room“. Ich selber kann mich immer kaum zwischen Ravenclaw, Hufflepuff und – natürlich – Slytherin entscheiden.

Bex als Kitchen Witch, und damit verbunden mit einer großen Nähe zu Kräutern und Pflanzen, passt hervorragend zu Hufflepuff und magick – und so landete eben auch ich bei ihr. Ihr Content auf YouTube ist vor allem fröhlich, freundlich und für jede/n zugänglich. Die einstige Psychologin ist eine pragmatische Hexe: keinen Sinn für das Übernatürliche, aber viel Sinnlichkeit für das Natürliche.

Sie nimmt sich selber nicht zu ernst und spielt auch innerhalb des Contents. Beispielsweise mit einem Video zu The Craft, DEM Hexen-Film der 90er Jahre. Bei ihr wechseln sich Tipps zu Mindfulness und Cozyness ab, dazu gibt es sensationelle Rezepte, zuletzt ein Harvest-Bowl-Granola mit getrocknetem Kürbis, Zimt und Honig oder einem Pumpkin-Spice-Latte-Cake. Ja, hallo! Gerade, und besonders, zu traditionellen Jahreskreisfesten haut sie ihre Rezepte raus, was ich besonders mag: Je älter ich werde, je mehr schätze ich Tradition.

Ein Glück: Bex arbeitet gerade an einem Kitchen Witch Kochbuch. Auf ihrer Page bietet sie Retreats an, von der Wicked Walpurgisnacht zum anstehenden Samhain-Retreat, sowie Workshops, die mentale Gesundheit und Magick vereinen. Was gerade für mich natürlich super spannend ist. Die Workshops finden ähnlich wie die Retreats in kleinen Gruppen statt, um die Verbindung innerhalb der Gruppe aufrechtzuerhalten. Gruppenarbeit ist hier nicht nur willkommen, sondern gewollt.

Offensichtlich stellen sich Newbies immer wieder die Frage, ob sie jetzt witchy genug sind, um auch behaupten zu dürfen, sie seien eine Hexe. Bex bietet hierfür den Workshop “Inner Godess” an, der genau darauf abzielt.


Zwei Frauen umarmen sich lachend

Crew Love is true love! Aylin und Vera / Credit: Wiiitch, Please

Aylin & Vera von Wiiitch, Please – Die, die immer über ihre Periode reden

Der Podcast „Wiiitch, Please“ tauchte einfach so auf, von meinem sonst so räudigen Spotify Algorithmus vorgeschlagen. Danke, an der Stelle, auch wenn Du sonst so oft versagst, Spotify.

Aylin und Vera bringen seit 2021 jeden zweiten Dienstag eine neue Folge von „Wiiitch, Please“ raus und ich zähle sie als Um-die-Dreißig-Frauen mal frech zur Generation Instagram. Meine erste Folge war die Samhain-Folge im Oktober 2021 und die brachte neben dem Gefühl, einen sehr guten Podcast zu entdeckt haben, noch ein richtig gutes Samhain Kuchen Rezept von Vera mit sich. Die zwei sind mir deshalb so sympathisch, weil sie Ethik und Werte vertreten, die auch ich vertrete. Sie beziehen immer wieder klare Position gegenüber der toxischen Spiri-Bubble, verurteilen jegliche Diskriminierung und Kulturelle Aneignung. Und betonen immer wieder: Lass Dir nicht einreden, irgendwas kaufen zu müssen, um irgendwo dazuzugehören. Sie selber beschreiben ihr Selbstverständnis als Hexen so:

Hexen waren schon immer Personen, die bezichtigt wurden, ihr angeworbenes Wissen auf eine böse Weise erlangt zu haben. Dabei waren das einfach Menschen, die verbunden mit der Natur lebten, die verbunden waren mit den natürlichen Zyklen, mit ihrem Körper und damit auch verbunden mit ihrer Intuition. Und das sind auch unsere Pfeiler, wir grenzen uns ab von allem Dogmatischen, esoterischen oder auch institutionellen-religiösen Sachen. Beim Hexe sein gibt es nur den einen Grundsatz, mach, was du möchtest, solange es niemandem schadet.

Die beiden behandeln im Podcast daher auch immer ein buntes Potpourri von Alltag-Stories zum Periodenzyklus. Emanzipation, Befreiung vom Patriarchat & Feminismus – verbunden mit der Anerkennung aller Gender – Ablehnung gegen ausufernden spirituellen Aktionismus und Spiritual Bypassing. Die zwei sehen sich als freie und moderne Hexen, ohne sich einer Gruppierung wie Wicca oder Pagan anzuschließen oder sich darüber zu definieren. Der Podcast ist also vieles: informativ und lustig, politisch und ethisch.

Was mich mit beiden verbindet: Aylin beschäftigt sich viel mit der Psyche. Sie gibt Workshops und Seminare ohne (!) dieses schlimme Eso-Marketing-Geballere, bei dem ich sofort auf Durchzug schalte. Ihre Angebote sind authentisch und hilfreich. Gerade erst startete ihr Baby „Deep dive“. Ein sechs-Monats-Programm, bei dem es sich um deepe Themen wie Nervensystem-Regulation, aber auch Generationstrauma dreht. Als Yogini und Fitness-Frau kommt hier auch und vor allem die körperliche Ebene ins Spiel. Wichtig!

Vera wiederum ist leider zu weit weg: Sonst würde ich stante pede ihre Kräuter-Kurse an der VHS Düsseldorf besuchen, denn uns eint wohl klar die Liebe zum Wald und zu Kräutern. Beispiel: Achtsamkeits-Meditation im Apfelgarten oder Kräuterseife sieden. Da jubiliert die innere Green Witch. Zum Podcast geht es hier entlang.


Eine moderne Hexe mit pinken Haaren sitzt in einem pinken Zimmer mit okkulten Gegenständen, sie trägt einen Hexenhut

Credit: Vic Ramkumar

Shisha Rainbow – Die, die sagt: f*ck the Universe

Shisha flatterte mir tatsächlich als Buchankündigung ins Postfach, erst da wurde ich auf sie aufmerksam. Sie bezeichnet sich selbst als die bekannteste Hexe Deutschlands und als Mystikerin der 6. Generation. Sie ist jung, offensichtlich Cosplayerin, schrill und sehr eigen – und genauso würde ich auch ihren Schreibstil bezeichnen. Mittlerweile ist ihr zweites Buch „f*ck the universe“ erschienen. Unten findest du die Rezension dazu.

Ich bin eigentlich nicht die Zielgruppe Shishas, die eindeutig eher der Generation TikTok und twitch angehört, und trotzdem gefallen mir viele Dinge an ihr: Sie spricht völlig frei und selbstbestimmt, sie fällt auf und presst sich nicht ins normative Schönheitsbild. Sie steht für eine liberale und inklusive Haltung, kritische Punkte werden auf ihrer umfangreichen Webpage angesprochen. Hier finden sich umfangreiche Stellungnahmen über Themen wie toxische Coaches und Heiler*innen oder die fatalen Auswirkungen, die falsche Heilsversprechen haben können & die immer wieder durch die Spiri-Szene wabern. Auch ich hatte einst das zweifelhafte Vergnügen: In Gestalt des toxische Energiearbeiter, der mich wirklich hart manipuliert hat.

Zudem gibt’s ein großes FAQ rund um das Thema Hexen und deren Realität. Auch sie hat ein großes Angebot an Workshops und Ausbildungen, das sprengt hier aber den Rahmen. Wer ernsthaft hexen lernen will, scheint hier richtig. Ich sage nur: Knochen werfen.

Ich mag, dass sie edgy ist, das bin ich auch und es ist so angenehm, dass edgy sein immer mehr „erlaubt“ ist. Und hätte gut eine Shisha in den 90ern gebrauchen können.

Das Buch "f*ck the universe" liegt auf einem Holztisch

Rezension – f*ck the universe

Als ich die Ankündigung zu Shisha Rainbows Buch „f*ck the universe” las, rollte ich erst die Augen. Boah nee, nicht noch so ein Manifestations-Buch, mit völlig überzogenen Glaubenssätzen und haltlosen Versprechungen.

Aber nach dem Anlesen des Vorab-PDFs war ich interessiert. Da spricht jemand aus, was ich oft denke, wenn ich so ein klassisches Spiri-Buch in der Hand halte. Die Anti-Haltung, die mich unwillkürlich überkommt, das Sträuben gegen diese heile-heile-Welt-Propaganda. Shisha erklärt. Sie erklärt erstmal die Mechanismen von Energiearbeit, erzählt von klassischer Meditation und Manifestationen. Und zeigt uns auch gleich deren Schwachpunkte auf. Law of Attraktion? My ass. Dieses dogmatische „Gleiches zieht Gleiches an“ kann doch nur für weiße, privilegierte, gesunde Menschen gelten. Kriegsopfer und durch Missbrauch traumatisierte Kinder haben sich weder in diesem, noch in einem vorherigen Leben negative Umstände herbei gewünscht. Ich brauche die Spiritual Bypassing Kacke nicht in meinem Leben. In der Rainbow-Method wird deshalb nicht zwanghaft versucht, nur positive Emotionen zuzulassen, sie nutzt unsere ganze, herrliche Bandbreite an Emotionen zu Hilfe, wenn sie manifestiert.

Sie nutzt sie alle. Und verdammt will ich sein, mein Hass kann so lodern, es ist nur sinnvoll, diesen als Kraftquelle für eine glühende Manifestation zu nutzen. Was mich jetzt ankotzt, kann mich doch antrieben, meine Idee zu verwirklichen. Und genau das ist es. Von Liebe zu Dankbarkeit, von Angst zu Wut – sie nutzt die Klaviatur unserer Emotionen, um mit damit zu kanalisieren. Aus Wut wird so eine kleine Abrechnung mit der Person, die einen wütend gemacht hat. So kann man sich selbst behaupten und einen „Sieg“ manifestieren. Das entspricht so viel mehr meinem Wesen, als sich in liebevoller Güte in eine Metta-Meditation zu begeben.

Im Grunde zeigt sie auf, wie wir diese sieben Grund-Emotionen, die nun mal zum Mensch sein dazu gehören, nutzen, um sie zu leiten, statt sich von ihnen leiten zu lassen und ihnen etwas abzugewinnen, das uns und unser Leben voranbringt. Und dass es trotzdem okay ist, so zu fühlen. Das Buch ist geeignet für Anfänger*innen, wie für Fortgeschrittene. Sie erklärt Schritt für Schritt verschiedene Methoden, weist immer wieder auf das Vertrauen in die eigene Intuition hin und erklärt sowohl unser emotionales Gerüst, als auch die Wichtigkeit der psychischen Selbstfürsorge.

Ihre Abschlussworte, für alle, die ein bisschen anders sind, zahlen auch genau da ein. In die Psyche und in die Welt der Diagnosen. Menschen, die in der Happy&Holy-Welt komplett stehen gelassen werden, die nicht instagrammable leben, die werden hier angesprochen. Menschen mit Diagnosen wie ADHS, Depressionen, Gefühlsstarke Menschen. Finally, möchte ich da sagen. Denn hier bin ich zu Hause.


f*ck the universe
Verlag: unum / GU Verlag
ISBN: 978-3-8338-8827-4

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