Kluge Stimmen zur Europa-Wahl 2024
In genau einer Woche ist die Europawahl und wir in Deutschland können am 9. Juni aus 35 Parteien wählen, wen wir im Europäischen Parlament vertreten haben möchten. Wozu das gut ist? Wir wählen also, wer auf europäischer Ebene mitbestimmen kann, wenn es um Beschlüsse oder Richtlinien geht, die dann ganz Europa betreffen. Es macht also wenig Sinn, sich über unsinnige Richtlinien aufzuregen, die einem hier das Leben erschweren, aber nicht sein Wahlrecht in Anspruch zu nehmen. Wer sich unsicher ist, was oder wen sie oder er wählen soll, wer da für die eigenen Ideale oder Werte steht, die/der kann den Wahl-O-Mat nutzen oder den Klimawahlcheck vom NABU.
Um so richtig in Wahlstimmung zu kommen, habe ich kluge Menschen gebeten, ihre Meinung zu Europa und zur Wichtigkeit der Europawahl mit uns zu teilen. Gefragt habe ich ausnahmslos Personen, die ich sehr schätze. Weil ich sie schon lange an meiner Seite habe, weil ich ihre Kunst bewundere, weil sie mir politisch sehr nahestehen oder weil ich die Organisation, für die sie arbeiten, supporte. Auf geht’s:
Dr. Gregor Gysi, Rechtsanwalt und Bundestagsabgeordneter
“Das Europäische Parlament hat inzwischen an Gewicht gewonnen. Es geht um eine europäische Friedensordnung, deutlich mehr soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit in sozialer Verantwortung. Beim besten Willen dürfen wir Europa nicht den Nationalisten und Rechtsextremisten überlassen. Deshalb ist es wichtig zu wählen und wenn es geht, entscheiden Sie sich bitte vernünftig.”
Georg Heil, Journalist
“Ich zahle keine Roaming-Gebühren in der EU, das ist angenehm. Ich kann von Lappland bis zur Algarve in 27 Ländern leben und arbeiten, einfach so, das ist so nirgends sonst auf der Welt möglich - und ich finde es großartig. Der wahre Wert der EU ist für mich aber ein anderer: Sie ist – trotz all ihrer Unzulänglichkeiten – die Grundlage unseres Wohlstands und des Friedens in Europa. Wir brauchen die EU, weil wir selbst zu klein sind, um die großen Probleme zu lösen, beispielsweise den klimagerechten Umbau unserer Wirtschaft. Und wir dürfen Europa nicht den Radikalen überlassen, die beispielsweise den ‘Dexit’ fordern, deswegen ist es so wichtig, wählen zu gehen.”
Natascha von Hirschhausen, Designerin
“Mein Hauptstatement wäre: ‘Geht wählen’. Ich glaube, das ist das Wichtigste, denn von jede/r Demokrat:in, die nicht wählen geht, profitieren die Nicht-Demokrat:innen. Auch wenn es natürlich viel mehr zu dem Thema zu sagen gäbe.”
Nela Riehl, Spitzenkandidatin zur Europawahl von Volt Deutschland
“Die EU-Wahl ist für mich wichtig, weil sie eine Zukunftswahl ist. Für ein klimaneutrales, innovatives, sicheres und gerechtes Europa – und damit unsere Chance, dem rückwärtsgewandten Nationalismus entgegenzutreten.”
Michael Fritz, Co-Founder Viva con Agua de Sankt Pauli e.V.
“Wählen ist ein Privileg. Mit Privilegien kommt Verantwortung. Und zwar die Verantwortung wählen zu gehen, und zwar für Frieden, Demokratie und kulturelle Vielfalt auf allen Ebenen.”
Louisa Sánchez, CEO & Co-Founder THE RICE SOCIETY GmbH
“Europa bedeutet für mich Zusammenhalt, Freiheit und Solidarität! Für diese Werte stehe ich mit meiner Stimme gegen Intoleranz und für eine Welt des Miteinanders und der Akzeptanz. Nutze deine Stimme am 9. Juni für eine friedliche Zukunft in Europa!”
Konstantin Kreiser, Fachbereichsleiter Naturschutzpolitik NABU e.V.
“Die Europawahl am 9. Juni ist ein entscheidender Moment für Natur und Klima. Viele Millionen von Zugvögeln haben ihr Leben der EU zu verdanken: Dank der EU-Vogelschutzrichtlinie gehört die brutale Vogeljagd fast überall der Vergangenheit an. Und Brüssel-sei-Dank müssen die Regierungen der Mitgliedsstaaten Schutzgebiete ausweisen und erhalten – im Rahmen des EU-Netzwerks ‘Natura-2000’. Allein in Deutschland konnten so über 5.000 Naturparadiese gerettet werden. Auf der anderen Seite trägt die EU-Agrarpolitik immer noch zum Insektensterben bei. Fast täglich trifft das Europäische Parlament wichtige Entscheidungen für – oder gegen – die Natur vor unserer Haustür. Mit unserer Stimme bei der Europawahl haben wir es also in der Hand: Gewinnt die Natur oder verliert sie? Tiere und Pflanzen haben kein Wahlrecht, wir schon. Also: Wer die Natur liebt, sollte am 9. Juni wählen gehen! Der Klimawahlcheck bietet dabei eine Orientierungshilfe.“
Katrin Langensiepen, Mitglied des Europäischen Parlaments / Die GRÜNEN
„Es geht bei dieser Wahl nicht nur darum, ob wir den sozial-ökologischen Wandel fortführen, sondern genauso darum, den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken und unsere Demokratie zu schützen. Ich bin seit 2019 Abgeordnete im Europäischen Parlament und kämpfe für ein soziales und inklusives Europa.“
Ingo Pohlmann, Musiker
„Natürlich gehe ich wählen. Europa ist eines der wichtigsten Projekte der Menschheit. Verschiedene Kulturen, die über eine Wertevorstellung versuchen, Konsens zu schaffen. Ich glaube, wenn wir diesen Pfad verlassen, ist das ein Teil des Auseinanderdriftens der Kulturen, um sich gegeneinander zu positionieren. Es muss gelingen und es braucht unsere Stimme dazu, und ich denke besonders derjenigen, die es erhalten wollen.“
Lina Johnson, Spitzenkandidatin Parlament aufmischen – Stimme der Letzten Generation
„Europäerin zu sein, hat für mich immer Freiheit und Sicherheit bedeutet. Ich bin froh und dankbar, in einer Demokratie aufgewachsen zu sein. Mit der Zeit habe ich immer mehr zu spüren bekommen, was für ein unglaubliches Privileg das ist. Aber auch, was für eine Verantwortung damit einhergeht. Dafür, dass wir in Frieden und Sicherheit und in einer Demokratie leben, haben sich unzählige Menschen seit 200 Jahren eingesetzt – dafür gekämpft, meist war das auch mit viel Leid verbunden. Mir wurde auch klar, dass wir uns die Grundlage unsere Privilegien ergaunert haben durch brutale Ausbeutung und Zerstörung. Dafür steht Europa für mich auch. Wer schlägt Alarm, wenn die Erde brennt? Wir tragen die Dringlichkeit der Menschheitskatastrophe ins EU-Parlament. Alles um die Wahl bietet uns eine enorme Plattform für den Feueralarm und die Forderung nach Ehrlichkeit der Regierenden. Jedes Plakat, jeder Werbespot, jedes Interview ist eine Möglichkeit, die Klimakatastrophe vor die Kamera zu zerren. Wir können es uns nicht mehr leisten, dass vor allem diejenigen ignorieren, dass alles auf dem Spiel steht, die Entscheidungen für ganz Europa und darüber hinaus treffen. Der klassische EU-Wahlkampf bedeutet für mich inhaltslose oder scheinheilige Versprechungen, da wollen und können wir als Bevölkerung nicht mitgehen. Wir mischen auf. Die EU-Wahl bedeutet Protest gegen die wissentliche und in Kauf genommene Zerstörung von allem, was uns lieb ist.“
Björn Köcher, Projektleiter Umweltstiftung Michael Otto
“Wenn in Brüssel laut LobbyControl schätzungsweise 25.000 Lobbyist*innen mit einem Jahresbudget von 1,5 Milliarden Euro Einfluss auf die EU-Institutionen nehmen und mit dieser Power immer wieder die warnenden Stimmen der Wissenschaft abwürgen. Wenn eine Nazipartei wie die AfD eine Woche vor der Europawahl in den ARD-Trend-Umfragen gleich viele Stimmen (14 %) bekommt, wie die SPD (15 %) oder die GRÜNEN (14 %). Wenn Europa lieber seine Außengrenzen schließt, flüchtende Menschen im Meer ertrinken lässt oder bereits beschlossene Renaturierungsgesetze stoppt, statt sich den Folgen seiner kolonialistischen Vergangenheit und kapitalistischen Zerstörungskraft zu stellen und dafür im Rahmen von uneingeschränkter Flüchtlingshilfe oder besonders starkem Umwelt- und Klimaschutz Verantwortung zu übernehmen. Dann kann dir das nicht egal sein und die Antwort nur heißen: Give a shit & vote!”
Zu guter Letzt und zum absoluten Verdruss meines Ehemannes, der auch mein Lektor ist, zitiere ich mich selber, obwohl das nicht Usus ist. Aber wofür hat man den eigenen Blog!
Julia Köcher-Eckebrecht, Bloggerin junieundich
„Europa ist für mich Zuhause. Mein Vater ist Niederländer, ich habe Familie in Italien. Ich bin durch Europa gereist und habe offene Grenzen dabei sehr genossen. Europa ist für mich mehr als die Summe vieler Teile, auch wenn ich mich oft über EU-Beschlüsse im Bereich Tier- und Umweltschutz ärgere. Europa muss zum Klassen-Primus werden: ein Vorreiter für wirksamen Naturschutz, für gute Bedingungen in der Landwirtschaft, für gute Standards in der Arbeitswelt. Und damit meine ich nicht: Mehr arbeiten. Sondern: besser arbeiten können, durch gute Strukturen. Und natürlich: Rechtsruck stoppen. Es kann und darf nicht sein, dass in Europa Deutschland (!) die rechtsradikalste Partei stellt.“
Und wer jetzt immer noch Fragen zum Ablauf der Europa-Wahl hat, Mr. Wissen-2-go hilft weiter: