Working Mom: Wenn Mütter unter Care-Arbeit leiden – so wie ich

eine frau liegt bäuchlings auf dem bett, sie trägt ein graues shirt und hat lackierte nägel

Vladislav Muslakov I Unsplash

 

Die Gesellschaft will Mütter, die arbeiten, als ob sie keine Kinder hätten und Mütter, die Mütter sind, als ob sie keinen Job hätten. (Quelle: Instagram)

Und so ist das, liebe Gesellschaft. Mütter haben einen seltsamen Job. Sie übernehmen den Löwenanteil Care-Arbeit. Sie sind es, die mittags aus dem Büro hetzen, um das Kind pünktlich aus Kita oder Schule abzuholen. Oftmals wohl wissend, dass im Job keiner so recht Verständnis dafür aufbringt, da gerade noch etwas liegengeblieben ist und nun von jemand anderem erledigt werden muss. Das Kind: kein Verständnis für den intensiven Arbeitstag, es will die volle Aufmerksamkeit. Die To-do-Liste: einkaufen, aufräumen, spielen, Hausaufgaben. Die Nerven: liegen blank.

Ich bin eine Working-Mum – Und ich leide

Wird jetzt noch das Kind krank, gerät das Konstrukt gleich ins Wanken. Schon wieder krank, gibt’s doch gar nicht, ständig ist es krank und die Mutter dann auch, schon wieder Ausfall. Gibt’s doch gar nicht! Aber Kinder werden krank. Mütter werden krank, häufiger als die zugehörigen, Vollzeit arbeitenden Väter, da sie meist viel weniger Kontakt zum Kind oder gar anderen Kinder haben. Wie gerecht und sozial ist es, die Mutter dafür zu kritisieren?

Oft ist es der männliche Vorgesetzte, der sich über seine oft krankgeschriebene Mitarbeiterin auslässt und über sie ätzt, statt schlicht die liegengebliebenen Jobs zu verteilen. Der ist es gerne auch, der die 20h-arbeitende-Ehefrau zu Hause hat, die ihm Haushalt und Kind schmeißt und alles für ihn erledigt, bis er abends relativ entspannt nachhause kommt. Kein Wunder also, dass 65 % der Befragten einer YouGov Studie angegeben, ihr Betrieb sei nicht familienfreundlich.

Für mich gab es kein #regrettingmotherhood

Dafür gibt es aber ein #regrettinghowsocietytreatsmothers. Mein Kind ist ein Segen, ein Happiness-Faktor, das große Ding in meinem Leben. Es ist schlicht die Gesellschaft, die hinkt. „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind groß zu ziehen“, so ein altes Sprichwort und es zeigt auf, wo die Probleme liegen. Wir leben nicht mehr in der sozialen, engverbundenen großen Gruppe, in der Kinder mit Kindern aufwachsen, Familien gegenseitig aufeinander aufpassen und sich unterstützen. Das allerdings benötigt es, im Grunde, um allen Arbeiten und Bedürfnissen gerecht werden zu können, ohne sich bis zur Erschöpfung aufzureiben. Seit Mütter arbeiten – sei es, weil sie es müssen oder wollen – haben sie eine enorme Mehrbelastung zu schultern. Es geht nicht nur darum, ein Kind ausreichend zu versorgen, es zu bekleiden, es zu umsorgen und pünktlich ins Bett bringen. Mütter bekommen die ganze Bandbreite der kindlichen Alltagslasten ab: Schulhof-Streitereien, Spielplatzrummel, Trennungsängste, beginnende Pubertät, Schulstress, Mobbing, Liebeskummer etc. Oder die Organisation der ganzen Arzttermine, die zerrissene Jeans am Abend, die am nächsten Morgen unbedingt wieder heil sein muss, die Schulaufgaben und das Lernen für die Arbeiten, der Besuch von anderen Kindern – all das und noch viel mehr zerrt an den Nerven und fordert viel ab. Dass davor bereits ein Arbeitstag stand, oft mit einem Vollzeitjob in Teilzeitstunden gepresst, kommt noch obendrauf. Gerade alleinerziehende Mütter oder auch getrenntlebende Elternteile verspüren diesen Druck enorm.

Eine Frau sitzt mit zwei Kleinkindern an einem Tisch, sie sieht gestresst aus und schaut auf ihr Handy

Vitolda Klein I Unsplash

Quo vadis, Familienpolitik?

Die SPD hat in ihrem Wahlprogramm für die garantierte Arbeitszeit gekämpft. Das spricht mich ehrlich gesagt überhaupt nicht an. Ein Anspruch auf Vollzeitjob plus Kind ist für mich kein Segen, sondern Fluch. Stattdessen wünsche ich mir eine finanzielle Entlastung von Alleinerziehenden oder Getrenntlebenden. Gegebenenfalls eine valide Unterstützung der Betriebe, die Teilzeitarbeitende Eltern einstellen und ihnen so Homeoffice oder mehr Urlaubstage ermöglichen. Einen signifikanten Ausbau von besseren Betreuungsangeboten. Ich kenne keinen Hort, der erträglich ist. Zu viele Kinder, auf zu engem Raum, mit zu wenig Betreuung. Ein Kind kommt schlapp und k.o. aus dem Hort, das ist kein Zustand, um das Kind stressfrei neben der Arbeit großzuziehen. Laut einer Umfrage des Müttergenesungswerk fühlen sich 75 % der Mütter Dauer-überlastet. Das bekommen auch die Kinder zu spüren. Es gibt viele Studien darüber, wie gestresst schon kleine Kinder sind. Nicht zuletzt durch überforderte Eltern!

Was ich als Mutter mir wünsche: Akzeptanz, Unterstützung, Gleichberechtigung

Ich wünsche mir eine höhere Akzeptanz und Wertschätzung für Teilzeitarbeitende-Mütter und Väter. Für Alleinerziehende. Entlastungen in den Betrieben durch Anerkennung der zwei intensiven Belastungen der Frauen und Männer. Mehr Zuspruch seitens Kollegen. Betriebe sollen Eltern konsequent stärken. Das gilt für die interne Kommunikation im Betrieb, als auch für flexible Arbeitszeiten und angemessenen Gehältern. Ich wünsche mir dringend den Ausbau von finanzieller Unterstützung von Alleinerziehenden. Und nicht zuletzt den gesetzlichen Anspruch auf Kuren, damit Eltern sich trauen, diese zu beantragen. Ich selber habe das Glück einen Arbeitgeber zu haben, der mich unterstützt beim Thema Kind. Aber ich habe anderswo so viel katastrophale Erlebnisse gehabt oder bei Kolleg*Innen beobachtet, dass dieser Text einfach aus tiefstem Herzen kommt, für all die Working-Mums (und Dads) da draußen.

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