Burnout, Baby: Meine Erschöpfungsdepression und ich – Ein Erfahrungsbericht
Keinen Satz hört man öfter von mir als: „Ich bin so müde“. Vielleicht noch in Variationen, wie „Ich bin ja soooo k.o.“, „Ich bin so, so platt“ oder schlicht „Ich kann nicht mehr“. Klar, denn ich habe einen handfesten Burnout. Und der geht mit einer heftigen Erschöpfung einher. Es gibt Tage, an denen möchte ich weinen, weil ich einfach so müde bin und mich trotzdem durch den Alltag quäle. Lange Gespräche ermüden mich, ich kann dem gesagten dann nicht mehr gut folgen, weshalb ich soziale Kontakte auf ein Minimum reduziert habe.
Eigentlich weiß ich schon gar nicht mehr, wie sich das anfühlt, ausgeruht aufzuwachen. Ich kenne nur noch den Zustand müde, sehr müde oder komatös müde. Verabredungen gehen, wenn überhaupt, nur noch tagsüber – aber das auch nur noch alle paar Wochen. An ein Arbeitsleben ist derzeit auch nicht zu denken. Da fragt man sich, wie das kommt, war ich doch früher ein „Spring ins Feld“, ein „Overachiever“, immerzu Early Bird und auf der Überholspur?
Burnout, Baby!
Dabei habe ich noch Glück im Unglück. Bei mir zeigt sich die Erschöpfungsdepression vor allem durch Erschöpfung und weniger durch Depression. Viele Erkrankte haben im Burnout/in der Erschöpfungsdepression mit einem Verlust der Konzentration. Der Lebensfreude und Antriebsschwäche zu kämpfen, plagen sich mit trüber Stimmung und Hoffnungslosigkeit. Bei mir macht sich vor allem eine endlose Genervtheit bemerkbar. Ich bin angekotzt von dieser krassen, chronischen Erschöpfung, dieser Müdigkeit, die es mir schwer macht, ein normales Leben zu führen – oder wieder führen zu können. Wenn organisch alles gesund ist, du aber trotzdem mit dem Kopf täglich mehrfach auf die Tischplatte knallen könntest vor Müdigkeit, dann strengt dich das an. Dann bist du erschöpft von der Erschöpfung.
Burnout – alles halb so wild?
Laut der Depressions-Liga sind derzeit über fünf (!) Millionen Deutsche an Depressionen erkrankt – und dabei sind Kinder, Jugendliche und Menschen über 80 noch nicht mal eingerechnet. Fast jede zweite Frühverrentung beruht auf der Diagnose Depression. Krass! Und trotzdem investiert die EU nur knapp 55 Millionen Euro jährlich in die Erforschung psychischer Erkrankungen, acht Millionen Euro davon für das Thema Depression. Die Krebsforschung erhält dagegen rund 205 Millionen Euro pro Jahr. Noch krasser! Denn psychisches Leiden kann schließlich auch schwere somatische Krankheiten hervorrufen, Grüße gehen raus!
Irgendwie scheinen trotz der alarmierenden Zahlen die psychischen Erkrankungen also immer noch nicht ernst genug genommen zu werden. Da hilft es vielleicht, dass sich immer mehr (öffentliche) Personen trauen, über ihre jeweilige Krankheit zu sprechen. Von Ronja von Rönne zu Robbie Williams, von Kurt Krömer, Kim Kardashian und Gulia Becker zu Lady Gaga, Casper, Laura Melina Seiler oder Sarah Kuttner – Künstler*innen nutzen ihre mediale Reichweite für Aufklärung und auch, um ihre Krankheit zu monetisieren: Was früher unter den Teppich gekehrt wurde, wird heute in Büchern, Podcasts oder Blogs aufgearbeitet. (Ehemals) Erkrankte zeigen sich in sozialen Netzwerken und Medien und helfen so dabei, psychische Erkrankungen „salonfähig(er)“ zu machen. Die Stigmatisierung des Versagens, die Einordnung als Minderleistungserbringer*in oder die Einschätzung, dass man sich das Schicksal Krankheit einfach aussucht, weicht langsam auf.
Dabei ist die Depression so alt wie die Menschheit selbst: Mit Schwermut und Trübsal plagten sich die Menschen schließlich schon jenseits der Antike herum. Der Begriff Burnout hingegen ist noch recht frisch und tauchte erstmals zu Beginn der 70er Jahre auf.
Burnout ist überall
Trotzdem das alles also schon so alt und mehrfach erzählt ist: Auf Verständnis, Zugewandtheit und Hilfsbereitschaft stoßen Betroffene eher selten. Wenn die emotionalen Bedürfnisse in der Kindheit auf der Strecke blieben, dann wird auch im späteren Leben im Elternhaus kaum Verständnis bei psychischen Problemen gezeigt. Gilt leider aber auch im beruflichen Kontext.
Beispiel: Die prekäre Situation der Arbeitnehmer*innen im Gesundheitssektor, die erst wieder im Rahmen der Coronapandemie sehr deutlich wurde. Dort sind Doppelt- bis Dreifachschichten keine Seltenheit, chronischer Personalmangel und eine unterdurchschnittliche Bezahlung sorgen für permanent ausgelaugte Mitarbeiter*innen und hohe Krankenstände. Immer wieder gibt die Statistik her, dass gerade Menschen im sozialen Arbeitsbereich gefährdet sind, in Burnouts abzurutschen. Aber außer Klatschen wie am Anfang der Coronapandemie fällt uns als Gesellschaft da nichts ein, wie sich die Situation für die Betroffenen ändern ließe – und die Politik hat außer warmer Worte auch nicht viel für die vielen ausgelaugten Menschen übrig. Statistiken sagen übrigens auch, dass Frauen doppelt so häufig gefährdet sind wie Männer, an depressiven Störungen zu erkranken. Ja, LOL. Neben dem anerzogenen Kümmer-Gen, ist es die ungleiche Doppelbelastung, die in diese Abwärtsspirale führt: Sorgearbeit lastet nach wie vor vorwiegend auf den weiblichen Schultern. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass Frauen weniger arbeiten, um mehr Kinder- und Haushaltsarbeit zu übernehmen. Das sind dann drei Verantwortungsbereiche auf einmal, wovon nur einer bezahlt wird und der oft nicht mal besonders gut.
(Not so) little fires everywhere – mein Weg in den Burnout
Und das war auch Teil meines Problems. Versteht mich nicht falsch: Ich liebe meinen Beruf. Als ich mit 19 in den Job der PR-Managerin rutschte, saß ich an dem von Benjamin Stuckrad von Barre als Schreibtisch im Nachtleben beschriebenen Platz und fand es einfach nur großartig. BvSB verließ Motor Musik, kurz bevor ich zu dem Label kam. Ich war blutjung und habe den Job nur meines damals ziemlich ausgeprägten Hip-Hop-Wissen zu verdanken. Und so reiste ich fortan mit Bands und Künstler*innen auf Konzerten und Pressereisen umher. Das Leben war wild und aufregend, Musik war immer schon ein großer Teil meines Lebens und so habe ich diese Arbeit geradezu obsessiv geliebt. Auch der spätere Wechsel in die Welt der Agenturen und des Marketings war aufregend, spannend, großartig. Allerdings: Den Vollzeit-Job als Senior-PR-Beraterin in 32 Stunden pressen, unbezahlte Überstunden zu schieben und zu Hause die gesamte Care-Familien-Arbeit zu leisten (also zum Beispiel Arzttermine, Schulangelegenheiten, Lernen, Nachhilfe etc. organisieren und das Social Life des Kindes im Auge behalten, weil der andere Elternteil sich hier nicht berufen fühlt), das war alles über viele Jahre schlicht viel zu viel. Als ich 2013 in einer großen Netzwerk-Agentur anfing, hat mich mein innerer Antreiber die ersten Wochen durch einen Job gepeitscht, der mir 50+ Arbeitsstunden wöchentlich abverlangt hat, statt der vereinbarten 32 Stunden. Innerhalb von vier Wochen sollte ich einen bundesweiten Launch einer großen Modekette organisieren – mit vier Launch-Events in vier verschiedenen Städten. Auch hier wieder: Ich habe es geliebt, war high on Cortisol, habe kaum gegessen und war mit dem Kopf nur im Job.
Pitta-Vata gleich Burnout?
Ich fühlte mich anerkannt und wertig, gesehen und erfolgreich. Gleichzeitig und unbemerkt habe ich freudig und komplett freiwillig begonnen, mir mein eigenes Grab zu schaufeln. Ich hätte auch schlicht „nein“ sagen können. Hätte merken können, dass das alles viel zu viel ist und ich mehr Ruhe brauche. Spoiler: Das habe ich nicht.
Denn ich bin von Kindheit an eine eindeutige Pitta-Vata Konstitution. Immer mit Volldampf voraus: An der Karriere arbeiten, ein Kind quasi alleine großziehen und zusätzlich, ganz nebenbei, noch meine kleine, eigene PR-Agentur für Kunst, Musik&Design aufbauen. Zudem bin ich der Typ “FOMO” (Fear Of Missing Out). Deshalb war Social Media die Pest für mich, denn mit meinem Suchtcharakter konnte ich kaum die Finger davonlassen. Social life all day long.
Meine große Erschöpfung
Und so kam sie ganz unschuldig und fast unbemerkt in mein Leben, die immerwährende Müdigkeit. Nach einem Jahr in besagter Agentur habe ich zwar einen deutlichen Abfall der Energie bemerkt, das aber schlicht als Phase abgetan und auf den Stress geschoben. Nach einem weiteren Agentur-Wechsel, mit einem angenehmen Arbeitspensum und tollen Kolleginnen, ließ der Stress merklich nach – mit ihm aber auch mein Energielevel. Aber statt der Müdigkeit auf den Grund zu gehen, habe ich mich für den doppelten Espresso am Nachmittag und für Sport entschieden (einfach mal noch mehr Belastung obendrauf – High five to myself!) und zudem einfach nochmal den Job gewechselt, einhergehend mit deutlich größer Personalverantwortung und lockendem Gehalt. Und so zog ich mir meine Schlinge immer enger um den Hals. Selber. Mein innerer Antreiber: höher, schneller, lauter. Nicht das Versagen meines dortigen Kollegen, seine Abteilung anständig zu führen, hat mich ausgelaugt, sondern meine freiwillige Entscheidung, sein Team zu stützen und die Lücke durch meine Mehrarbeit zu füllen. Und so bin ich einfach weiter und weiter Richtung Zusammenbruch gelaufen. Immer noch an allen Ecken brennend. Immer noch die Care-Arbeit leistend, weil der Vater es nicht auf die Reihe bekommen wollte – warum auch, ich bin ja bereitwillig in jede Lücke gesprungen, um alle Probleme zu lösen, auch seine. Als dann noch eine schwere Erkrankung im nahen Familienbereich dazu kam, und ich mich kümmern musste, war der Ofen aus. Ich bekam dauernd Infekte, Schlafstörungen, Angststörungen, innere Unruhe und brach schlicht unter der Last zusammen. Game over.
Wie ich jetzt weiß, ist das ein ganz bekanntes Burnout-Muster. Ich bin die, die sich für alles verantwortlich fühlt, auch wenn sie niemand drum gebeten hat. Eine Freundin ist in Not? Ich suche sofort alle Artikel, Podcasts oder Bücher zusammen, die helfen können. Ein Familienmitglied ist erkrankt? Ich schicke Care-Pakete und frage nach, was ich tun kann. Persönliche Schicksale triggern mich sofort. Ich fühle mich – wahrscheinlich aufgrund meiner eigenen Biografie – mit ihnen verbunden und mein Helfer*innen-Syndrom springt direkt an. Dass ich dafür gar keine eigenen Reserven habe, ignoriere ich. Ich verurteile oft den Egoismus vieler Menschen, am Ende sind die aber meistens die, die gesund sind, weil sie sich eben nur um ihren eigenen Krempel kümmern, keine helfende Hand ausstrecken und sich nicht um andere bemühen. Und das, während ich mit Mitte 40 auf dem Energielevel einer Palliativ-Patientin stehe.
Mit Highspeed durch die Meditation
Ganz meiner Natur folgend habe ich mich natürlich gleich super-intensiv mit dem Burnout auseinandergesetzt. Dabei habe ich es wieder komplett übertrieben und wusste quasi bald genauso viel, wie der Therapeut mir gegenüber. Es heißt: Ruhe hilft, in die Natur gehen, eine MBSR-Praxis, Yoga und Meditation, gutes Essen, ein kreatives Hobby. Generalstabsmäßig habe ich gleich alles auf einmal probiert. Ohne Effekt. Also las ich mich tiefer ein: Was kann noch helfen, den verdammten Burnout zu bekämpfen, endlich wieder fit zu sein, Geld zu verdienen, zu reisen, einfach leben zu können? Verbissen setzte ich mich mit allem auseinander, was auch nur im Ansatz Heilung versprechen konnte. Ich versuchte es mit Akupunktur, um Meridianen zu entblocken. Ich nahm Kräuter der einen und schluckte Probiotica der nächsten Heilpraktikerin. Ich ging zum Energieheiler, der meine Erschöpfung mit dem „kosmischen Staubsauger“ absaugte, nachdem er mich zuvor manipulativ und höchst toxisch im Gespräch gebrochen hat. Ich ging zum nächsten Energieheiler, der mit Reiki genau nichts erreichte. Ich ging zum Hypnotiseur und zum Ayurveda-Arzt. Ich las Bücher über Bücher. Ich aß drei Monate keinen Zucker und kein Gluten. Verzichtete auf Kaffee. Ergebnis: Nada. Ich würde das alles, bis auf die Energiearbeit, ausdrücklich empfehlen zu versuchen. Dass bei mir nichts davon fruchtete, lag ausdrücklich nicht an diesen wunderbaren Methoden, Stress zu reduzieren. Aber woran dann?
Ich bin dankenswerterweise körperlich gesund. Meine Blutwerte sind top, ich habe keine Hormonstörung und organisch ist so weit alles ok. Worüber ich täglich dankbar bin! Aber verdammt, wie geil wäre es, eine kleinere Störung zu haben, eine Wunderpille ausgehändigt zu bekommen und pling, einfach wieder wach zu sein! Wie herrlich wäre es für mich, wieder einem Job nachzugehen, ordentlich Asche verdienen zu können, um den Traum vom Haus noch zu ermöglichen. Reisen zu können. Allein, meine verzweifelte Suche nach Heilung von außen hat nichts gebracht, außer viele Tausende Euros weniger auf dem Konto und der Erkenntnis, ich brauche eine Heilung von innen.
Mittlerweile bin ich in einer Traumatherapie, um das zu erreichen. Ich muss mein traumatisiertes inneres Kind behandeln und heilen – so sehr das nach einem weichgespülten Hörbuch-Titel klingt, es ist ein Fakt. Ich bin in ein chaotisches Leben, ohne feste Strukturen und Bindungen hineingeworfen worden. Die Phase, in der das kindliche Gehirn sich ausbildet, braucht dagegen stabile Verhältnisse und möglichst wenig Stressoren. Bekommt ein Kleinkind die essenziellen emotionalen Bedürfnisse nach Bindung, Sicherheit und Struktur nicht erfüllt, dann wirkt sich das auf sein späteres Leben aus. Meine vermeintliche Liebe zum Job beziehungsweise zu der damit verbundenen Anerkennung ist nichts weiter als die unerfüllten emotionalen Bedürfnisse einer 5-Jährigen. Und das geht nicht nur mir so: Wir alle sind so gestrickt. Nur halt der/die eine/r ausgeprägter als die/der andere. Bei mir kamen also bestimmte Muster im Job und Privatleben zum Vorschein, die einerseits mega-geil für den Job waren: Ich bin zum Beispiel super flexibel im Kopf und kann von einem Projekt ins nächste springen, das aber auch nur, weil ich eben diese Strukturlosigkeit erlebt hatte und immerzu bereit sein musste, für neue Situationen, bei denen ich sehr früh auf mich allein gestellt war. Dafür bin ich von null auf hundert im Stress und kann zwar irre schnell Dinge wegarbeiten, gerate aber emotional in Schieflage, was wiederum zum Ausbrennen führt. Es ist also Segen und Fluch zugleich.
Reiz gleich Reaktion? Was ich erlernen muss!
Es gibt viele Menschen, die das besser beherrschen. Die zwischen Reiz (beruflich wie privat, in Situation, im Gespräch oder bei Gedanken) und ihrer Reaktion kurz innehalten und abwägen, wie zu reagieren sei. Bei mir sind Reiz und Reaktion quasi eins. Das ist in meinem Kinderhirn gespeichert worden und hat sich bis heute durchgezogen. Es ist eine also Sache der täglichen Übung, in meinen neuronalen Netzen diesen Mechanismus wieder zu überschreiben – und neu zu lernen: Reiz. Innehalten. Reaktion.
Hilft: Radikale Akzeptanz und Selbstverantwortung
Was habe ich über die Jahre gelernt: Yoga hilft enorm. Die Schulung von Körperwahrnehmung, das Verbinden von Atmung und Bewegung, das bewusste Innehalten und Loslassen können, das hilft. Aber auch hier muss jede/r achtsam sein mit sich. Nicht alles ist für jede Lebenssituation geeignet! Bei mir heißt das zum Beispiel: dynamischer Vinyasa-Flow – ihrgs, bewahre. Yin Yoga und achtsames Hatha – oh, yes, please! Bloß nicht in Stress geraten, zu viel leisten wollen und den Körper schonen, damit fahre ich ganz gut. Akzeptanz heißt hier mein Zauberwort. Damit ich das nicht vergesse, steht das unter der Haut meines rechten Unterarms geschrieben. Ich muss akzeptieren, dass ich aus der Bahn geflogen bin. Aber ich will zurück, will wieder ein normales Leben mit normaler Energie führen. Aber halt anders. Ich bin für meine Stressoren selber verantwortlich, muss lernen, anders mit meinen Ressourcen zu haushalten. Und trotzdem ist das kein Freifahrtschein für Arbeitgeber*innen, die eigenen Mitarbeiter*innen alleine zu lassen mit zu viel Arbeitspensum und schlechten Strukturen. Anständige Arbeitsstrukturen und machbarer Workload müssen her, ansonsten wird die Belegschaft krank, egal wie vorbildlich sie sich um ihre Stress-Trigger bemühen. Auch die Politik muss Wege finden, dass Frauen nicht weiterhin die Care-Arbeit größtenteils alleine stemmen müssen. Oder dass sie dafür wenigstens besser entlohnt werden. Und die Gesellschaft – und hier konkret gemeint, die gesunden Mitmenschen – die können auch was tun.
Der richtige Umgang mit psychisch erkrankten Menschen
Gute Ratschläge gebe ich immer weiter. Es ist das einzige, was man damit anfangen kann. Oscar Wilde
Gleich vorneweg: Gut gemeinte Ratschläge à la „Ach, stell dich doch nicht so an“, „Gib dir doch einen Ruck“ oder „Aber du hast doch so ein schönes Leben“ – bitte stecken lassen. Zuhören und unterstützende Worte finden ist hingegen immer eine gute Sache, den Menschen signalisieren, dass man für sie da ist. Menschen mit Burnout vertragen nicht noch mehr Leistungsdruck, als sie ohnehin schon verspüren. Eine Krankheit dauert, solange sie eben dauert. Siehe mein Fall, ich tue wirklich alles aus dem Lehrbuch für Burnout-Erkrankte, aber es bringt in Sachen Erschöpfung einfach keine Erfolge. Der Gesunde kann sich in den Kranken nicht hineinversetzen, also sollte er sich um möglichst wenig Phrasen bemühen.
Auch ein Teil meines Erfahrungs-Berichts: Ich habe durch meine Erkrankung viele Freundinnen verloren. Ich bin halt anstrengend, zu nichts zu gebrauchen, melde mich kaum, bin müde und hab halt auch leider viel Negatives erlebt und davon zu erzählen. Das passt nicht ins instagrammable-Life. Schlimm ist das nicht. Manch eine Freundin hat sich als oberflächlich herausgestellt und es ist auch vollkommen in Ordnung, wenn eine Freundschaft dann endet. Andere Freundschaften haben sich hingegen intensiviert und neue Freunde kamen auch dazu. Wieder andere Freundinnen strugglen gerade selber enorm mit der Lebenslast, die sich nicht erst in den letzten zwei Jahren bei vielen bemerkbar macht.
Deshalb geht jetzt Liebe raus an all die, die struggeln: Nicht ihr seid das Problem. Das Umfeld ist es. Wem nie etwas Schlimmes passiert ist, der benimmt sich dann auch oft pikiert und wendet sich ab. Gleichzeitig gibt es auch Menschen mit eigenen traumatischen Erlebnissen, die sie verschlossen gemacht haben. Egal was der Grund ist, es hat nichts mit euch zu tun. Angehörige von Erkrankten dürfen sich aber auch selber Hilfe holen.
Warum schreibe ich eigentlich so super persönlich darüber?
Weil es wichtig ist. Und weil das Problem weit verbreitet ist, aber sich eben nicht so anfühlt. Ich will nicht mehr verschämt den Blick senken, weil ich mich falsch fühle oder weil man anderen nicht zur Last fallen soll mit seinem Elend. Ich habe mir dieses Leben nicht ausgesucht. Genau wie viele der anderen chronisch kranken Menschen und Menschen mit Einschränkungen. Deshalb bin ich auch der Meinung, dass gerade gesunde Menschen kranke Menschen immer und viel mehr unterstützen sollten. Wenn nicht schon aus eigenem Antrieb, dann sollte es gesellschaftlich verankert sein, dass kranken Menschen mehr Unterstützung zusteht. Niemand sucht sich sein Schicksal aus. Also öffnet eure Herzen für die, die krank sind, für die, denen es nicht gut geht. Und an alle Betroffenen: Wir sind nicht alleine. Wir sind viele. Und wir sind genau richtig, wie wir sind. Liebe!
A little Help for my friends:
Stecke ich selber im Burnout? Hier gibt’s den Test.
Wäre es mal Zeit für eine Therapie, bevor alles zusammen knallt? Hier gibt’s eine Übersicht von Therapeut*innen.
Schnelle Hilfe gibt’s immer noch bei der Telefonseelsorge.
Selbsthilfegruppen sind unschlagbar, um sich nicht alleine zu fühlen. Hier zu den regionalen Angeboten.
How to …: Zehn hilfreiche Tipps für den Umgang mit an Burnout erkrankter Menschen.