Mit Burnout auf psychosomatischer Reha – So war es

Zwei Menschen greifen nacheinander, es steht sinnbildlich für psychosomatische Reha

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Die psychosomatische Rehabilitation bei Burnout, Depression und Arbeitsunfähigkeit: Ich hatte gleich zweimal das Glück, eine verordnet zu bekommen. Wobei, Glück ist ja relativ. Lieber wäre ich gesund gewesen und hätte gar keine gebraucht. Sei es drum, gesund bin ich bis heute nicht. Aber die Reha, die hat mir geholfen.

Ich wurde 2017 und 2021 auf Reha beordert, beim ersten Mal musste ich noch zu meinem Glück gezwungen werden. Zu abstrakt die Vorstellung. Fünf Wochen weg, was passiert da vor Ort, was gibt es für therapeutische Angebote? Und in meinem Fall: ist es dort leise genug für mich? Denn ich leide an Phonophobie, der Überempfindlichkeit vor bestimmten Geräuschen.


Fünf Wochen Reha – halte ich das aus?

Meine Reha wurde mir nach einigen Monaten Burnout ohne Besserung von meinem Therapeuten dringend ans Herz gelegt. Er und meine Ärztin mussten mich bearbeiten, bis ich endlich einlenkte. Gemeinsam beantragten wir die Reha. Da ich zu dem Zeitpunkt krankgeschrieben war, über den Rentenversicherungsträger. Von der Antragstellung bis zum Bescheid verging einige Zeit. Und die Erlösung kam per Handy-Mailbox: Darauf eine freundliche Frau, die aus dem Patientenservice der besagten Klinik kam, und mich schon mal ein paar Sachen fragen wollte. Wenig später kam dann auch der Brief und wirklich kurze Zeit darauf ging es auch schon los. Ich war im September in Potsdam eingeteilt, fünf Wochen lang. Schade, dachte ich. Schon wieder Stadt. Lieber wäre mir Reha an der Nordsee oder Ostsee gewesen. Das Denken allerdings auch alle anderen und daher ist hier ein Platz der Sechser im Lotto. Fünf Wochen Reha halte ich das aus? Dachte ich noch, als ich mich in den Zug setzte. Aber die fünf Wochen sollten sich als großartig erweisen.

Ein Stetoskop

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Die ersten Tage auf psychosomatischer Reha

Als 90er Jahre Nostalgikerin gefiel mir die Klinik-Lobby ausgesprochen. Sie hatte den Schick eines typischen 90er-Interregios, mit eben diesem türkis, und Interieur, sowie die Bepflanzung kamen ganz bestimmt auch noch aus ebendieser Ära. Die Mitarbeiter*innen nahmen mich gut organisiert, kein Wunder, so eine Klinik hat um die 300 Betten, es ist ein ewiges Kommen und Gehen. Alles ist von Beginn an durchgetaktet und organisiert, niemand steht doof herum oder weiß nicht, wohin. Die ersten zwei Tage dienen der Eingewöhnung. Führungen durch die Klinik und Speisesaal, die ersten Gespräche mit Ärzt*innen, kleinere Untersuchungen und die Ausgabe der wichtigsten Unterlage: die Patientenmappe. Ein kleines Mäppchen, dass man überall mit hinnimmt, darin Details zu Untersuchungen, der individuelle (selbst gewählte) Essensplan und einen persönlichen Stundenplan. Der wartet regelmäßig in dem Patienten-Briefkasten mit Updates auf einen. Die individuellen Stundenpläne haben beiispielhafte diesen Inhalt:

  • Therapiestunde (25 Minute wöchentlich)

  • Gruppentherapie

  • Blutabnahme/Medikamentenausgabe/Wiegen

  • Kunsttherapie

  • Musiktherapie

  • Sport

  • Walken

  • Sozialer Dienst

  • Diagnostik

Ich kam an einem Donnerstagmittag in der Klinik an, hatte also zwei Tage lang Zeit, mich einzugewöhnen. Ein bisschen am See zu lesen, auf dem Balkon in der Sonne zu sitzen. Mir Kaffee und Kuchen in dem kleinen Bistro zu holen. Und dann halt die ersten To Do’s wie Diagnostik (Aufgaben/Fragebögen am Computer), Blutabnahme, etc. hinter mich zu bringen. Und dann, das freie Wochenende zu genießen. Man kann sich schnell gesellig zu einer Gruppe zusammenzufinden. Man muss aber nicht. Ich bin gerne Einzelgängerin, ich war gewollt alleine unterwegs.

Therapeutisches Bogenschiessen, ein Mann zielt auf eine Scheibe

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Therapieangebote auf psychosomatischer Reha – Nicht alles ist für jede/n

Eine der wichtigsten Regeln für so eine Reha: Lass dich unbedingt darauf ein. Sonst bringt es dir nichts. Niemand wird dir deine Heilung für dich abnehmen können. Deshalb sollte man jedes Therapieangebot zumindest ernsthaft ausprobieren und mitmachen. Von therapeutischem Bogenschießen zur Musiktherapie – einfach mal machen. Der Zweck und Sinn hinter jeder Übung ist einem vielleicht nicht immer gleich klar. Aber oft hallt die Wirkung nach. Bei der Tanztherapie merken Teilnehmende vielleicht, wie gut ihnen rhythmische Bewegung tut. Bei der Musiktherapie wurde aufgefordert, einfach mal nicht zu gefallen, einfach mal gegen den Rhythmus zu spielen. Auch das ein Erlebnis, für Menschen, die „Gehorsam“ gewöhnt sind. Und dann das therapeutische Bogenschießen, das gleich auf mehreren Ebenen wirken kann. Konzentration, Selbstvertrauen, aber auch zielgerichtet zu denken und Geduld zu bewahren.

Logisch, auch mir gefiel nicht alles, aber ich habe alles zumindest richtig probiert. Tanzen fand ich so toll. Kunsttherapie eher öde. Andere fanden Gefallen an Malen und Gestalten, und genierten sich beim Tanz. Scheißegal, es geht eben darum, mal wieder herauszufinden, was einem Spaß macht. Und für sich zu entdecken: Hey, mich gibt es ja auch noch. Nicht nur Job/Pflege/Kinder/Haushalt.

Eine Darstellung von einer Therapie, zwei Personen sitzen nebeneinander

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Wen man trifft auf Reha – Vom Kurschatten zum Unsympath

Bei so vielen Leuten ist von allem was dabei. Da mag der eine nicht so der Sympathieträger sein, dafür eine andere eine echte Seele von Mensch. Und vice versa. In der Gruppentherapie ist es wie zu Schulzeiten. Da trifft vorlaut auf schüchtern, kommunikativ auf verschlossen. Und das darf so. Es ist sogar wichtig. Therapeut*innen haben im Blick, wenn jemand zu lange redet, ermuntert, wer weniger reden mag. Aber stellt nie bloß, niemand wird gezwungen, sich zu öffnen. Neben der eigenen Gruppe kommt man bei Tisch mit anderen zusammen, wenn man sich einen Tisch beim Essen teilt. Und Raucher*innen treffen sich in den ausgewiesenen Raucherecken. Ansonsten muss man niemanden kennenlernen. Aber man kann, denn hier trifft man sich auf einer besonderen Eben der Gemeinsamkeit und kann schnell Freundschaft schließen. Wen man eben nicht so leiden kann, dem kann man hier gut aus dem Weg gehen.

Auch bei den Therapeut*innen hält sich der Kontakt in Grenzen, die kleine Einzeltherapie in der Woche und die Gruppentherapien erlauben keinen wirklichen Austausch. Eher sollen Menschen, die bislang wenig Erfahrung damit haben, den Kontakt und die Idee einer Therapie begreifen lernen. Und sich idealerweise, bei Bedarf, im Anschluss einen Therapieplatz suchen. Allerdings gab es bei meinen Gruppen auch Menschen, die keine weiterführende Therapie benötigten. Denen hat die kurze Pause gereicht, um danach wieder einsteigen zu können. Anderen hat die Pause nicht gutgetan und sie kamen auch im Anschluss nicht wieder auf die Beine. Es bleibt halt ein Versuch. 


Kaffeepause: Eine Tasse Kaffe und Zeitung zu sehen

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Safe Space: Einzelzimmer mit Bad

Im Gegensatz zu einem Klinikaufenthalt oder in einer Psychiatrie ist auf der psychosomatischen Reha eher der Hotelcharakter vorgesehen. Ein Einzelzimmer mit zweckmäßiger Einrichtung und TV und eigenem, kleinen Bad. Auch hier schwebte der Schick der 90er Jahre über dem Zimmer. Mitpatient*innen haben gemosert, ich war komplett zufrieden. Bett, Tisch und Stuhl, kleine Kommode und das Bad. Mehr brauchte ich nicht. Platz für die Yogamatte war da, Steckdosen für das iPad war da. Bad war da. Was brauche ich mehr? Genau dieses Zimmer und das viele freiwillige alleine sein können, war meine Rettung. Diese qualitative me-time, viel lesen, malen, Yoga und Beauty-Anwendungen waren so heilsam für mein extrem übererregtes Nervenkostüm. Täglich werden die Zimmer gereinigt und das in Verbindung mit den täglichen drei Mahlzeiten, für die man nichts tun muss, außer das Geschirr zurückzubringen, waren eine signifikante Entlastung. P.S.: man kann seine Wäsche vor Ort in Waschmaschinen waschen und trocknen. Und auf den Etagen gibt es Tee- und Kaffeeküchen, plus das Bistro unten am Speisesaal.

Jede/r kann sich aber auch verabreden. Es gab an den Wochenenden Programm wie Ausflüge oder Wanderungen, Yogakurse und Tanzabende und der Überbrenner: Seidenmalerei. Hatte ich noch gelacht, als ich das las – Halle, 90er Jahre! –, blieb mir das Lachen bald im Halse stecken. Der Kurs war so schnell ausgebucht, dass die Frauen sich schon frühmorgens um sechs vor das Reißbrett scharrten, um ihren Namen auf die Liste zu schreiben und so einen Platz zu ergattern. Ich nahm nur an dem Konversations-Talk auf Englisch teil. Da trafen wir uns einmal in der Woche auf einen netten englischen Austausch. Da kam man bunt zusammen und wurde nur sanft korrigiert von einer nativen Speakerin, es ging hier nicht um Leistung, nur um Spaß am Lernen.

Ich genoss diese Zeiten für mich, auch die Wochenenden, die ich in Potsdam verbrachte. Voll bepackt mit Leckereien aus dem nahegelegenen Biomarkt, habe ich mir das Wochenende einfach hübsch gemacht. Übrigens: Alkohol und Besuche auf dem Zimmer sind nicht erlaubt. Wilde Partys gab es also nicht.

Menschen schreiben bei einem Vortrag mit

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Die Sozial-Beratung und Vorträge auf psychosomatischer Reha

Es gab freiwillige und verpflichtende Angebote. Von Vorträgen über Ernährung zu Depressionen und Angsterkrankungen gab es verschiedene Angebote, für die man eingeteilt wurde. Den Bewerbungskurs und Ernährung hätte ich selber, und moderner, nach neuesten Erkenntnissen geben können. Hier war für mich wirklich nichts zu holen. Wer sich allerdings noch nie mit Ernährung auseinandergesetzt hatte, der lernte natürlich einiges dazu. Es gab auch Vorträge zur Raucherentwöhnung oder zu Diabetes.

Allerdings gab mir persönlich der Vortrag über Angst mit einem Angst-Mediziner nichts. Im Gegenteil, er tat meine Phonophobie ab, die gäbe es so nicht. Heute weiß ich es besser. Und der Typ hoffentlich auch. Man darf also ruhig mal nachhaken und wenn man etwas anderes gelernt hat, das auch zur Sprache bringen.

Was wirklich maximal hilfreich war und in meinem Falle zweimal von einer besonders engagierten Mitarbeiterin betrieben wurde, war die Sozial-Beratung. Sowohl in der Gruppe, als im Einzeltermin. Die Frau ist ein wandelndes Gesetzbuch gewesen und hat einem einfach alles erklärt, vor allem, worauf man ein Recht hat. Der Mitarbeiterin ging es eben nicht darum, Leute auf Krampf wieder ins Hamsterrad zu schicken. Sie hat sie ermutigt, mit allerlei Fachwissen und Tipps zu Umschulung, Erwerbsunfähigkeitsrente, Anbindung und Hilfs-Organisationen am Wohnort.

Eine Frau beim Walking

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Die Entlassung: und wie geht es nach der psychosomatischen Reha weiter?

Die Entlassung wird noch mal begleitet von Untersuchungen, Diagnostik und Fragebögen. Das alles und die Beurteilung der einzelnen Therapeut*innen und Ärzt*innen fließen in den Bericht ein. Bericht? Ja, der Abschlussbericht geht an den Rentenversicherungsträger und nach Erlaubnis der Patienten auch an Krankenkasse und Ärzt*innen. Darin steht durchaus, ob der/diejenige sich auch engagiert um Heilung bemüht. Finde ich auch ok. So ein Aufenthalt kostet mehrere Tausend Euro, nur wer sich bemühen will, gesund zu werden, sollte auch wirklich hierherkommen. Bezahlter Urlaub, oder der Freifahrtschein in die Rente, sollte das nicht sein. Das nimmt den wirklich bedürftigen Menschen den Platz weg.

Im Bericht wird vermerkt, inwieweit sich auch somatische, also körperliche Symptome verbessert, oder verschlimmert haben. Tatsächlich sah ich nach fünf Wochen Reha deutlich besser aus. Die Haut war frischer, meine Gesichtszüge entspannter. Meine Schultern hatten sich gelockert. Kein Witz, man sah mir diese Erholung einfach an. Allerdings habe ich mir auf der ersten Reha meine Dermatitis chronisch eingefangen. Also eingefangen im Sinne von, sie brach dort aus und ist bis heute chronisch geblieben. Psychologie für Anfänger: Das dort mal aufs Abstellgleis gesetzt werden und Therapie auf mehreren Ebenen zu erhalten führte dazu, dass seelische, unterdrückte Verletzungen auf der Haut ausbrachen. Bis heute. Fun Fact: die zweite Reha begann ich mit meinem ersten Nacken-Bandscheibenvorfall, bis heute sind es drei. Psychosomatisch zu erklären: zu viel Last, zu lange auf den Schultern getragen. Tja. Auch diese Dinge, Haut und Nacken, stehen in den Berichten. Und dann die große Frage: Arbeitsfähig, oder nicht?

Das entscheiden die Oberärzt*innen nach Sicht aller Unterlagen und Berichte. Und damit stiefelt man dann nachhause. Mir wurde von der Oberärztin dringend eine Traumaklinik empfohlen, ich habe es dann ambulant gemacht und bin bis heute in Traumatherapie angebunden. Wer als arbeitsfähig eingestuft wird, geht nach einer kurzen Krankschreibung wieder arbeiten, manche im Hamburger Modell, also die stufenweise Wiedereingliederung. Andere, wie ich, wurden weiterhin krankgeschrieben. Für die meisten meiner Mitpatient*innen waren die Berichte und Entscheidungen okay, für einige nicht, die haben dann Widerspruch eingelegt. Gut finde ich die Angebote für „die Reha nach der Reha“. Es gibt in vielen Städten Nachsorge-Gruppen, die als Anlaufstellen dienen, und wo sich ehemalige Patient*innen treffen und über die Herausforderungen im Alltag sprechen und einander Tipps geben.

Meine psychosomatische Reha und was ich gelernt habe

Auch ich, die dort schon mit einiger Therapieerfahrung und Sachbüchern über Psychologie und Weiterentwicklung aufschlug, habe dort gelernt und konnte einiges mitnehmen. In den ersten Tagen verdrehte ich noch die Augen und achte, boah nee, das ist ja gar nicht meins. Das änderte sich schnell. Bei der ersten Reha war ich mit meinem massiv gereizten Nervensystem auch noch schnell den Tränen nahe, da musste nur eine Mitarbeiterin was zu mir sagen, bumms, Tränen. Beim zweiten Mal war schon die Erschöpfung ausgebrochen. Da war ich eher einfach erschöpft. Beide Male konnte ich je nach Gemütslage den Alltag für mich gestalten. Beim ersten Mal war ich viel unterwegs, ging ins Museum und ins Kino, Essen in Potsdam oder Shoppen. Beim zweiten Mal war sowieso Corona, aber ich eh so platt, ich war in der Natur oder für mich entspannt im Zimmer. In den Gruppentherapien habe ich kleinere Aha-Momente gehabt, im Gespräch mit den Körperbetonten Therapeut*innen manchmal sogar größere. Ich hab mich selber viel beobachtet, reflektiert und eingeordnet und habe somit quasi eine eigene Therapie in mir abgehalten. Für mich war vor allem: raus aus dem stressigen Alltag, der Gamechanger. Endlich mal Luftholen, statt Schnappatmung. Endlich mal schlafen, statt nonstop Adrenalin. In meiner Klinik hatte ich ausschließlich freundliches Personal, angefangen vom Empfang, zur Oberärztin, zur Stationsschwester, zur Putzkraft, zum Servicepersonal in der Kantine, zu den Sport*therapeutinnen. Das mag nicht immer so sein. Dann ab damit in den Meckerkasten, aber auch dabei bedenken, jede/r, auch wir, können mal einen miesen Tag haben.

Viele meiner Mitpatient*innen haben auch mal gemosert, aber ich finde, auf hohem Niveau. Insgesamt lernt man auf Reha einfach Achtsamkeit, Stressbewältigung und die Wichtigkeit von Austausch und Hobbys. Aber: man muss das alles eben auch nachhause transportieren. Dort gleich wieder in alte Muster verfallen, ist eben die Krux. Man kann eh nicht alles in den Alltag implementieren, was man auf psychosomatischer Reha so alles gelernt hat. Aber die für sich wichtigsten Impulse, die sollte man auf jeden Fall mitnehmen, umsetzen und sich auch weiter bemühen, das zu tun.

Mitgenommen habe ich mein Yoga, Qigong, Sport und den unbedingten Willen, wieder gesund oder wenigstens, nicht noch kränker zu werden.

Ich wünsche euch, falls ihr eine Reha besucht, eine tolle Zeit. Die tut vielleicht mal weh, aber sie zeigt auch Potenziale auf. ❤️‍🩹

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